Zwangsgebühren

Von Kai Rebmann

Deutschland leistet sich schon heute den teuersten Staatsfunk der Welt. Der aus 21 TV- und 73 Radiosendern bestehende ÖRR-Dschungel verschlingt Jahr für Jahr weit mehr als acht Milliarden Euro. Die Gegenleistung: eine bemerkenswert einseitige und unausgewogene Berichterstattung über alle politisch und gesellschaftlich relevanten Themen. Dafür ist jetzt eine fette Belohnung fällig, glaubt zumindest ARD-Chef Kai Gniffke.

Bis zum Jahr 2028 sollen die Zwangsgebühren schrittweise von aktuell 18,36 Euro auf schwindelerregende 25,19 Euro steigen, was einer Erhöhung von mehr als 37 Prozent entspricht. Versuchen Sie eine solche „Anpassung“ mal in der freien Wirtschaft oder als Gehaltserhöhung bei Ihrem Arbeitgeber durchzusetzen. Aber bei der ARD ticken die Uhren bekanntlich anders, da werden die Zwangsabonnenten auch mal zur Kasse gebeten – ganz einfach, weil man es kann.

Zuerst die eigentlich gute Nachricht: Die ARD will den Gürtel beim „klassischen TV-Programm“ enger schnallen. Jetzt die schlechte Nachricht: Dafür braucht sie eigenen Angaben zufolge 328 Millionen Euro an zusätzlichen Zwangsgebühren, verteilt auf den Zeitraum 2025 bis 2028.

Das bei den Abonnenten abgeschöpfte Geld soll demnach in die „Digitale Erneuerung“ fließen. Ziel sei es, „das ganze regional verwurzelte Angebot übergreifend navigierbar“ zu machen und für den Konsumenten „ein personalisiertes Angebot“ zu schaffen, wie der „Medieninsider“ aus einem ARD-Dokument zitiert. Zur Finanzierung dieses IT-Infrastrukturprojekts will die Anstalt bis zu 400 Millionen Euro aus eigenen Töpfen einbringen, für den Rest – die besagten 328 Millionen Euro – sollen die Zwangsabonnenten geradestehen.

Doch damit noch nicht genug: 40 Prozent dieser zusätzlichen Summe sollen für die Schaffung von „250 bis 300 Vollzeitstellen“ ausgegeben werden. Die Nutzer der aktuell in Planung befindlichen digitalen Projekte müssen bei der ARD also auch künftig nicht auf Berichte über „entbindende Personen“ oder Fernseher, die Energie liefern, verzichten – ganz im Gegenteil: Es wird noch mehr solcher propagandistischen Prachtexemplare geben.

Beschlossene Sache ist der Quantensprung bei den Zwangsgebühren allerdings noch nicht. Aus Sachsen-Anhalt kündigt sich Widerstand an. Kulturminister Rainer Robra (CDU), in dessen Zuständigkeit unter anderem auch die Staatsmedien fallen, zieht einen Vergleich mit der Privatwirtschaft heran. Dort müssten die Unternehmen Investitionen in die Digitalisierung aus eigenen Mitteln stemmen, gegebenenfalls durch Einsparungen in anderen Bereichen: „Es ist nicht vermittelbar, warum dies für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk anders sein sollte.“

Und auch die Bevölkerung in Deutschland würde sich bei ARD und ZDF am liebsten mit Grausen abwenden, wenn sie es denn könnte. Es ist zwar Wunschdenken, dennoch wollte INSA in einer Umfrage im Auftrag der „Bild“ wissen, wie viel die Deutschen freiwillig bereit wären, für ihren ÖRR zu bezahlen.

Antwort: 39 Prozent würden am liebsten keinen Cent berappen, während nur fünf Prozent der offensichtlich ganz hart Gesottenen das Programm sogar noch mehr als die aktuellen 18,36 Euro wert ist. Dazwischen pendeln sich die weiteren Antwortmöglichkeiten ein: 4,99 Euro (13 Prozent), bis 9,99 Euro (16 Prozent), bis 14,99 Euro (10 Prozent), bis 18,35 Euro (6 Prozent) und den aktuellen Beitrag von 18,36 Euro (7 Prozent). 4 Prozent der Befragten hatten dazu keine Meinung.

Ein noch deutlicheres Bild zeigte sich bei der Frage nach einer Art „Pay per View“-Modell für den ÖRR. 57 Prozent der Befragten würde es befürworten, wenn nur diejenigen bezahlen müssten, die die Angebote von ARD, ZDF und Co. freiwillig nutzen. Mehr als jeder Dritte (35 Prozent) würde in diesem Fall aber darauf verzichten, wenn er im Gegenzug keine Zwangsgebühren mehr zu entrichten hätte.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Helge Lindh möchte die Ergebnisse der Umfrage in die politische Debatte einfließen lassen. „Die anstehende Grundsatzdebatte und Klärung zur Reform des ÖRR wird sich genau damit zu befassen haben: Was ist der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und wie umfassend wollen wir ihn finanzieren“, so der medienpolitische Sprecher der Sozialdemokraten.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein abgelegt und mit , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert