Zeichnung: Rolf Hannes
Wir alle kennen seit unsren Kindertagen auf Jahrmärkten und Kirmessen Spiegel, die uns verzerrten, in die Länge, in die Breite, in die Diagonale, oder nur unsre obere oder untere Hälfte ins Aberwitzigste veränderten. Zusätzlich irrten wir zwischen Spiegelwänden in einem Labyrinth hin und her.
Es gibt eine Radierung von Willy Gröger, die eine Gruppe Besucher in einem Zerrspiegel zeigen während ihres Besuchs in einem Künstler-Atelier in Cussy, einem Ort in Burgund. Ein Ort, der sich wunderbar für ein Wortspiel im Deutschen eignet, nämlich Küß sie! Allerdings ein Wortspiel mit hintersinniger Bedeutung. Wir wollen uns nicht dazu versteigen, sie so zu verstehn, wie wenn wir sie befolgen sollten, um eine schöne Künstlerin zu küssen. Vielmehr verstehn wir dieses Küß sie! auf die Kunst allgemein bezogen.
Lösen wir uns von dem Ort Cussy, um an den Ort der Kunst zu gehn, dann verstehn wir das Wortspiel: Hier will die Kunst geküßt werden. Wie in jeder Künstlerwerkstatt, wenn der Künstler darin etwas taugt. Das setzen wir voraus. Wir erheben Grögers Radierung einfach zur allgemeingültigen Einrichtung für Besucher eines Künstler-Ateliers. Kauft, sagt der Spiegel, oder ihr könntet erschrecken beim Anblick eures Inneren.
Schon vor vielen Jahren träumte ich von einem Spiegel, der einen hinter die äußere Hülle sehen läßt. In ihrer Darstellung geht die Radierung, bewußt oder unbewußt, genau diesen Schritt über den Zerrspiegel hinaus. Denn Willy Gröger hat in ihr ganz im Sinne meiner Vorstellung (meines Traums) mehr die inwendige Verzerrung als die äußere getroffen. Um es präziser auszudrücken: Er hat der physikalischen Optik die psychische zugesellt.
Wie es aber den Donald Ducks, den Gartenzwergen, den Mickymäusen, den Schleichkatzen und allen Bambys dieser Welt ergeht, weiß ich nicht.