Wutbürger sind Mutbürger

Aufgepaßt 31 Wutbürger sind Mutbürger

© Rolf Hannes

Seit ich denken kann, gibt es im Ausland eine unverhohlene Häme über die umständliche deutsche Anständigkeit. Brav und langweilig seien sie, die Deutschen, zu arbeitsam, zu staatsergeben, ehrpusselig und stets bedacht, nicht anzuecken. So kenn ich’s aus Feuilletons im Umfeld Deutschlands. In gepflegten Blättern ist es schick, die Deutschen so zu sehn. Wie auch immer, am liebsten hat man sie als pflegeleichte Urlauber, Devisenbringer. Damit können alle leben.

Auf politischer Bühne darf Deutschland nur moderates Selbstbewußtsein zeigen. Dort müssen die Deutschen die reuigen Büßer ihrer Nazivergangenheit bleiben. Man hat nichts dagegen, wenn sie die Wirtschaftslokomotive für Europa sind. Und, weil man den Wink verstanden hat und sich in fröhlicher Kumpanei einrichtet, werden Küßchen verteilt und Hände geschüttelt bei G8-Gipfeln, an Stränden, in Staatskanzleien, auf Schlössern, Regierungssitzen. Es wird viel falsch gelächelt. Und viel heuchlerisch gesprochen. Selbst die Lügen sind unaufrichtig.

Wenn ihr schon so gerne und für so wenig Lohn arbeitet, dann arbeitet wenigstens für uns mit, sagen viele Griechen, dafür erhalten wir euch unser schönes Griechenland, wo ihr eure Spargroschen gut und gerne ausgeben könnt.

Die Franzosen gehen auf die Straße, wenn ihnen was nicht paßt. Und es paßt ihnen vieles nicht. Auf dem Hintergrund der großen französischen Revolution wagt es die Presse kaum, die kleinen und großen Revolten zu verunglimpfen. Die Italiener wählen einen Ganoven und Mafioso zum Staatsoberhaupt. Jedenfalls finden sie ihn nicht so langweilig wie unsre Kanzlerin.

Was läuft in Deutschland? In Deutschland wird die obere politische und wirtschaftliche Kaste ungehalten, wenn sich Widerstand rührt gegen die Unvernunft und Korruptheit des Regierens, gestützt und in Konspiration mit den großen Absahnern, der Industrie, der Banken. (Das ist in anderen Ländern nicht unähnlich.) Erst tut man erstaunt, dann zeigt man, wenn es geboten erscheint, sogar ein gewisses Verständnis, dann aber, in der dritten Phase, wird das Pflänzchen Bürgermut verunglimpft. Erst zaghaft, dann immer dreister spricht man vom Wutbürger. Man lädt dieses Wort auf mit Unangenehmem, mit Zerstörungswut, mit Unvernunft. Was wollen sie denn, diese Wutbürger? Wollen sie keinen Fortschritt? Wollen sie keine Sicherheit? Wollen sie keine strahlende Zukunft?

Zumindest wollen einige nicht mehr so einfallslos und langweilig sein.

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