Thomas Mann hat in seiner Roman-Tetralogie Joseph und seine Brüder über den biblischen Joseph, dessen letzten Band er im kalifornischen Exil geschrieben hat, viel Ironie aufblitzen lassen. Dort wo der Geist den Willen zügelt, kann die Idee ein Stück Wirklichkeit werden. Aber erst die langwierige und mühsame Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, mit der Notwendigkeit sich zu äußern, ermöglichte dem Menschen Thomas Mann die Erschaffung einer tätigen Figur der Literatur eben im biblischen Joseph, der zweimal in die Grube musste, um seine Eitelkeiten in den Griff zu bekommen.
Und Joseph spielt ein letztes Mal sein Spiel, indem er sich seinen Brüdern nicht als Pharao zu erkennen gibt. Warum macht er das? Um seine Erhöhung zu genießen, auszukosten, den Brüdern ein Schnippchen zu schlagen? Nein, es ist ein Spiel mit moralischem Sinn. Er will jetzt gerade nicht eitel sein, er will nicht als Sieger erscheinen und gleich wieder deren Neid erwecken. Er gibt den Brüdern die Chance, ihn von sich aus zu erkennen. Damit gelingt die Versöhnung. Diese heitere Ironie erhebt Ironie in den Stand des Moralischen, des Sittlichen.
Zeichnung: Rolf Hannes
Ironie ist kein Selbstzweck, sondern ein gelungenes Spiel zur Erhebung des Geistes, zur Erkenntnisvermittlung, ganz im Sinne der sokratischen Ironie. Denn Sokrates müssen wir uns so vorstellen. Entspannt spazierte der alte Kriegsveteran über den Athener Marktplatz und sprach fremde Leute an. Er verwickelte sie scheinbar harmlos in ein Gespräch, zum Beispiel über das Wetter. Beim Blick in den Himmel seine harmlose Frage an den Fremden: Gibt es Götter? und der Fremde bejaht natürlich. Und schon kommt die nächste Frage von Sokrates: Aber wenn es Götter gibt, warum zeigen sie sich nicht? Der Fremde antwortet nach bestem Wissen und Gewissen. Sokrates fragt immer weiter, und das Gespräch spinnt sich fort, wird plötzlich philosophisch. Solange, bis der Fremde einfach keine Antwort mehr weiß. Dann lächelt Sokrates höflich, empfiehlt sich und geht wieder seiner Wege, um den nächsten Fremden anzusprechen, ihn mit Fragen zu löchern und dann ratlos stehen zu lassen. Er selbst – Sokrates – nannte diese Methode eine geistige Geburtshilfe. In den Philosophiebüchern steht dies dann als sokratische Ironie vermerkt. Ironie ist plötzlich ganz methodisch, pädagogisch.
Ironie ist ein Spiel mit dem Feuer, es kann uns verbrennen, es kann uns läutern. Ironie ist eine Kunstform, Sprachakrobatik.
Ende