Wohlfahrtsmafia 1

Aufgepaßt 56 Wohlfahrtsmafia 1

Vor einiger Zeit war auf freiburger Litfaßsäulen zu lesen:
Alle Kinder
essen ‘ne Wurst
am Münster,
nur nicht Gabi,
die isst Kohlrabi
ist arm.

Kohlrabi ist ja eine ungeheuerliche Zumutung. (Wahrscheinlich hat man es Gabi noch nie zugemutet, Kohlrabi essen zu müssen. Nach dem Krieg hatten meine Geschwister und ich samt Eltern oft gar nichts andres als Kohlrabi.) Zum Glück gibt’s auf dem Münsterplatz kein Kohlrabi, aber, wie wohlbekannt, eine schmackhafte Wurst. Aber anstatt Gabi eine Wurst isst, ist sie arm. Welch köstliches Wortspiel. Dafür hat einer bei der Werbeschmiede Münchrath sicherlich ein schmackhaftes Honorar eingestrichen.

Warum ist Gabi arm? Sie ist ganz arm, weil ihre Mutti ihr morgens nichtmal ein Pausenbrot mitgeben kann. Sie liegt grübelnd im Bett, die Mutti (sie ist alleinerziehend), hat sich schon mal eine Zigarette angemacht, der alte Kaffee von gestern schmeckt ihr auch nicht mehr, sie grübelt und grübelt wie es nun weitergehen könne den lieben langen Tag.

Ich hatte den Einfall, einen kleinen Zettel drucken zu lassen mit dem Text: Liebe Gabi, bevor du nie mehr eine Wurst auf dem Münsterplatz kriegst oder gar an Hunger stirbst, melde dich bei mir: Rolf Hannes Telefon 24504. Den Zettel wollte ich auf den unteren Rand der AWO-Plakate kleben. Ich habe es mir verkniffen, weil ein Anwalt mir davon abriet. Er sagte, ich würde sicherlich eine Anklage bekommen mit der Begründung der Sachbeschädigung und der üblen Verunglimpfung. Davor schreckte ich zurück bei meiner winzigen Rente und der Überlegung, ich müßte, weil ich die Strafe nicht zahlen kann, in den Knast. Also kriegt Gabi nie mehr eine Münsterplatzwurst, ich kann ihr nicht helfen.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert