Bin halt ein Idealist. Ich bin es. Und das ist evident. Das ist keine Einstellung, keine Haltung, sondern ein Sein. Daran kann ich nichts ändern. So wenig wie an meiner Augenfarbe, meiner Körpergröße, meinem Fettverteilungsmuster. Was ich machen kann? Ich kann Schuhe mit Absätzen tragen, hübsche Kleider, zum Friseur gehen, Deo benutzen. Eine kritische Haltung entwickeln. Einer, der alles einem Ideal unterwirft, wird nichts als Enttäuschung ernten.
Collage: Rolf Hannes
Also erarbeitet man sich die Realität. Da ich kein Realist bin, ist mein Blick auf die Realität immer ideal. Also Brille putzen und sich klar machen, dass das eigene Paradigma die Erfahrungen kontrolliert. Es geht nicht darum, mein Sein zu kaschieren und so zu tun, als sei ich ein Realist. Warum? Warum sollte ich verheimlichen, dass ich Idealist bin?
Ich bin kurzsichtig. Gibt es einen Grund, das zu verheimlichen? Nur in einer Welt, wo Kurzsichtige verbrannt werden, weil sie zu behindert sind. Also Brille putzen. Immerhin kann ich mein Augenleiden so korrigieren. Bin ich krank, weil ich ein Idealist bin? Man kann stolz auf seinen Bauch sein, oder ihn verdecken. Man kann das aber auch kultivieren. Eine Haltung entwickeln. Und das ist die Kunst. Das ist auch die Kunst des Schreibens. Schreiben ist eine Haltung.