Die Tippelbrüder einzuordnen fällt mir schwer. Denn im üblichen Sinn tippeln sie ja in den Feldern und Wäldern nie. Sie suchen sich je nach Laune am Wegesrand stehende Hütten und Unterschlupfe, ziehen dort mit ihrer Habe ein und schlafen gern bis in den späten Tag hinein. Irgendwann versorgen sie sich mit Eß- und Trinkbarem, wann aber, das entzieht sich den Blicken des Wanderers. Es gibt ja auch Tippelschwestern, sie sind rarer, aber es gibt sie. *
Wenn du in der Nähe eines solch bewohnten Häuschens etwas langsamer schlenderst, kannst du unter einem Berg von Decken und Klamotten den Haarschopf eines friedlich Schlafenden gewahren. Imgrunde ist er das genaue Gegenteil des braven Wanderers. Derweil der sich der Natur erfreut, haust und schläft der Tippelbruder ruhigen Gewissens an ihr vorbei.
Manch ein Dauerläufer beißt früher ins Gras als ein Tippelbruder oder Landstreicher, wie sie auch, etwas abträglicher, genannt werden. Ja, sie streichen durchs Land, ans Wandern vergeuden sie weniger Gedanken. Manchmal liest solch einer in seiner Behausung. Dann, denk ich mir, kann es um ihn nicht gar so schlecht bestellt sein. Einmal war meine Neugierde größer als meine Zurückhaltung und ich fragte rundweg, was er denn da lese.
Klecksbildchen: Rolf Hannes
Ich war ziemlich baff, als er sagte: Was von Lichtenberg. Von Georg Christoph Lichtenberg? Genau von dem, lese gerade einige Briefe, an ihn und von ihm. Das Buch hab ich aus einer Schachtel am Straßenrand gefischt. So was schmeißen die Leute weg.
Die Briefe kenne ich nicht, mußte ich gestehn, aber seine Aphorismen. Ja, antwortete er, die kenne ich auch. Am liebsten hätte ich mich zu ihm gesetzt, aber das schien mir doch etwas zu aufdringlich. Ich gratulierte ihm zu seiner Lektüre und ging davon, mehr meinen Gedanken nachhängend als in Naturbetrachtung.
*Die großstädtische Variante der Landstreicher hat eine Vorliebe, sich unter Brücken und in Unterführungen einzurichten.