Von der Selbstgerechtigkeit des Ruhms

Von der Selbstgerechtigkeit

© Rolf Hannes

Ich frage mich, was mich abstößt, wenn ich mir die Geschichten einiger
weltbekannten Künstler anschaue. Ist es der Neid auf ihren Erfolg, der mich ärgert, weil ich selbst erfolglos bin? Sicherlich trübt mein bescheidenes Leben abseits jeglichen materiellen Besitzes mein Sensorium für die Einschätzung von Reichtum und Berühmtheit. Dann aber wiederum fühle ich, wie uneingeschränkt ich das großartige verschwenderische Leben einiger Künstler neidlos, sogar mit rückhaltloser Zustimmung betrachte, wenn mir das, was sie als Künstler zustande bringen, gefällt. Wenn mir ihre Bilder etwas sagen, ihre Bücher, ihre Musik, ihr Tanzen.

Was also ist es, was mich ärgert? Worauf gründet meine Abneigung, was ist der Motor manchen Zorns, mancher Wut in mir, wenn ich mir die Biografien einiger Zeitgenossen betrachte?

Ich will es an einem Mann beschreiben, den alle Welt bewundert, besonders im Westen, ob seiner großartigen, vielfach beachteten, vielfach bewunderten, vielfach ausgestellten Kunstwerke. Darüberhinaus genießt er den Ruf eines aufrechten Kämpfers für Demokratie: Ai Weiwei.

In China, einem Land mit 1,4 Milliarden Menschen, ist er der einzige Chinese, dessen Namen die Menschen kennen und dessen Geschichte insbesondere die Menschen in Deutschland und in Kunstmetropolen wie London und New York bewegt, schreibt Ulrike Knöfel im SPIEGEL. Weiter schreibt sie: Er muß im Gespräch bleiben, weltweit, dauerhaft. Das Publikum verlangt nach diesem einen, mutigen Ai Weiwei.

Diese Heldenpose, für die sich die Menschen überschlagen, gerade die ist es, die ihn mir so verdächtig macht. Er liebe sein Land, beteuert er (deshalb lassen sie ihn nicht ausreisen zu seiner Ausstellung in Berlin, jedenfalls nicht, wenn er danach zurück nach China will), er fordert die chinesische Regierung mit seiner allgegenwärtigen Kritik heraus, er zeigt ihr seinen Stinkefinger, der dann um die ganze Welt geht (erst so erblüht er zur revolutionären Tat), er läßt sich einkerkern (ein Nachbau der Gefängniszelle kann die Welt jetzt bewundern in Berlin, allerdings ohne Insassen), er übersteht den Abriß seines Ateliers in Shanghai (eine Menge Bruchstücke davon sind gleichfalls in Berlin für die staunenden Besucher ausgestellt). Ulrike Knöfel schreibt: Weil er nicht anders kann, verwandelt er die Steine in ein hochästhetisches skulpturales Werk.

Einer dieser globalen Nabobs in New York oder London wird sich schon finden, dieses hochästhetische skulpturale Werk zu kaufen. Einer der Sorte, die mitverschuldet, wenn Millionen weltweit ausgebeutet werden oder verhungern.

Ulrike Knöfel möchte ich erwidern: Ich kann anders, für mich ist dieses hochästhetische skulpturale Werk ein Machwerk, ein scheinheiliges Machwerk, das auf die Emotionen der Menschen im Westen schielt.

Dieser »eine, mutige Ai Weiwei« sollte seinen einzigartigen Mut hier im Westen beweisen. Es gäb hier genug zu tun für Künstler und deren Kritik. Er kennt ja den Westen zur Genüge, er kennt ihn genau, seit seinen Jahren in New York. Aber er leidet lieber werbewirksam in Peking.

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