Michel Angelo: David (unverstümmelt)
In einigen Kreisen Deutschlands ist eine heftige Debatte entbrannt über den Sinn und Unsinn, Jungen zu beschneiden. Vorausging ein Urteil des kölner Oberlandesgerichts, das zu dem Urteil kommt, eine Beschneidung aus nichtmedizinischer Notwendigkeit sei eine strafbare Körperverletzung.
Im Spiegel rechtfertigt Matthias Matussek vehement die Beschneidung als eine seit Jahrtausenden geübte religiöse Kulthandlung. Er ist selbst stolz darauf, zum Drittel der männlichen Weltbevölkerung zu gehören, die beschnitten ist. Nun könnte man dieses Drittel gegen die Zweidrittel der Unbeschnittenen antreten lassen, um herauszufinden, wer sich wohler fühlt in seiner Haut. Dazu fällt mir eine Feststellung ein von einem Soziologen, dessen Meinung ich teile, denn sie entspricht auch meiner Beobachtung: Alle Minderheiten sind stets daran interessiert, die Mehrheit zu sich herüberzuziehen, und es fallen ihnen dazu die merkwürdigsten Gründe ein.
Im gleichen Spiegel schildert Maximilian Stehr, Facharzt für Kinderchirurgie, seine Sicht des Problems. Er kommt zu dem Schluß, es sei nicht Aufgabe eines Arztes, ein Kind unnötig zu verstümmeln, ihm dabei Schmerzen zuzufügen, die manchmal in ernsthaften Krankheiten, sogar tödlich enden können.
Und jetzt komme ich mit meiner unmaßgeblichen Meinung. Schon als Kind bin ich erschrocken, wenn ich einem beschnittenen Penis begegnet bin. Das kam nicht allzuoft vor, weil ich meistens wegschaue, wenn’s ums männliche Geschlecht geht. Ich empfand die weibliche Variante immer als viel vorteilhafter (von der Natur oder von Gott) ausgeführt. Ich dachte aber instinktiv an eine Verletzung, an eine Krankheit, die diesem Menschen zugestoßen sein mußte. Was will ich sagen? Mein Sinn für Schönheit, für Proportion, kurzum, mein ästhetisches Empfinden war gekränkt. Und das Gefühl hat sich auch in meinem vorgerückten Alter erhalten.
Noch etwas zum satirischen Abschluß: In den unsäglichen Abteilungen für Gartenschmuck tauchen seit neuestem Kopien von Michelangelos David auf mit Riesenschwanz und beschnitten. Man sollte die verantwortlichen Schurken an den Ohren nach Florenz schleppen, und, nachdem sie Abbitte geleistet haben, ihnen die Ohrläppchen abschneiden. Das, wird behauptet, ist eine neue kultische Handlung (die nicht aus dem Alten Testament stammt, wie so viel andrer Schmonzes), aber seit neuestem in einem religiösen Geheimbund ausgerufen wird.