Urbane Skizze 5

Klara langweilt sich. Der Nahrungs- und Wärmespender hat ihre Welt verlassen. Er verschwand in einem Dreieck aus Licht. Er wird wieder auftauchen. Der Spender wird durch das Dreieck wanken, ruhen, und hoffentlich morgen wieder Nahrung für sie haben. Noch ist er nicht zurück, und der dämliche Kater pennt. Hinter ihr leuchtet es grün. Sie jagt das Licht bis zu der Grenze aus grünem Sekret, das aus dem Bildschirm suppt. Dunkle Schatten erheben sich aus dem Schlamm. Klara hat einen Erstkontakt zu Wesen von jenseits ihrer rechtwinkeligen Welt. Jetzt galt es, Informationen zu sammeln und über Nahrung zu verhandeln.

Fach betritt das Sunshine. Ein dunkler Ort. Hinter dem Hahn arbeitet heute der Schönling. Die kahle Stelle auf seinem Hinterkopf hat er mit Resthaar verklebt. An manchen Tagen hasst der Schöne seine Gäste. Vor dem Tresen liegen die üblichen Gesichter in Bierpfützen und füttern die Aschenbecher.

Fahrzeuge schieben sich hupend vorwärts. Greta erkennt die Straße, in der sie als Kind gespielt hat. Sie taucht in die Menschenmenge ein und lässt sich treiben. Wenn dies hier wirklich ist, liegt ihr Elternhaus in der nächsten Seitenstraße. Warum ist sie in dieser verdreckten Ecke aufgewacht, und wo und wann ist sie eingeschlafen, oder ist das ein Leben nach dem Tod. Jemand rempelt sie an: Junkieschlampe, und zieh Dir was Anständiges an.


Grafik: Friedel Kantaut

Nacht. Greta sitzt auf einer Bank im Park. Eine Gestalt wankt auf sie zu und fällt ächzend neben sie auf die Bank. Na Mädel, Du siehst richtig geil aus.

Eine schmutzige Hand hält ihr eine halbvolle Flasche unter die Nase. Sie sieht ein rotes Gesicht, strähnige Haare, einen Bluterguss unter dem rechten Auge. Sein Atem stinkt giftig. – Nein, danke. – Sie erhebt sich und läuft ziellos durch den Park. Sie braucht einen Ort, an dem sie Fragen stellen kann, ohne aufzufallen. Sie erinnert sich an eine Bar, vor der ihre Eltern sie gewarnt hatten. Nur Rauschgifthändler, Intellektuelle und anderes Gesindel würden dort verkehren. Wenn diese Welt eine Erinnerung ist, könnte das Sunshine dieser Ort sein.

Niemand soll sich seinem Platz unbemerkt nähern. Fach stoppt das Bier, das ihm der Schöne rüberschiebt, bevor es über den Rand des Tresens kippt. Er beobachtet den zerfallenden Schaum. Alle Geräusche werden zu einem Rauschen, Informationen sind nur Lärm. Er schaltet seinen Empfänger aus. Stille, und alle starren zum Eingang. Eine unbekannte Frau betritt die Jungsbar. Ihr schwarzer Skianzug scheint auf einen Körper gemalt, der die beste Werbung für ein Fitnessstudio ist. Die Haut ihres Gesichts und der Hände ist schneeweiß. Unter der grünen Haarkante liegen zwei ovale rote Seen, auf denen zwei dunkelgrüne Inseln treiben. Sie wirkt ängstlich und sichert in alle Richtungen. Ein Freak. Die Jungs legen sich wieder in ihre Bierlachen und füttern die Aschenbecher. Der einzige freie Tisch ist genau hinter ihm, und nun sitzt sie in seinem Rücken. Sein Glas ist leer, und sie sitzt immer noch hinter ihm. Fach dreht sich um. Sie ist schön. Die weißen Hände stützen ihr Kinn. Soll ich Dir was bestellen? – Vielleicht.

Die andern Jungs sehen zu ihnen rüber. Hallo, ich heiße Richard. Hast Du Lust, Dich zu unterhalten? – Nein, ich habe genug eigene Probleme. Ich heiße Greta.

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