Boris Reitschuster: ARD-Mitarbeiter hat es satt und packt aus: „Ich kann nicht mehr.“
Ole Skambraks, Jahrgang 1979, ist seit 12 Jahren beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk tätig. Als Mitarbeiter und Redakteur. Er war Sendungsmanager der Morgenshow bei MDR Sputnik und Redakteur beim WDR Funkhaus Europa. Derzeit arbeitet er als Redakteur im Programm-Management/ Sounddesign beim öffentlich-rechtlichen Sender SWR2. Dass jemand wie er auspackt – dafür braucht es viel Mut. Auch ich habe in vielen Funkhäusern Ansprechpartner und Kollegen, die meine Arbeit schätzen und auch unterstützten – teilweise auch als Autoren. So sehr sie mit der Arbeit ihrer Sender hadern – sie wollen anonym bleiben. Und das kann ich auch verstehen.
Skambraks ist aus dem Schweigen ausgebrochen. In einem offenen Brief, den das Internet-Portal „Multipolar-Magazin“ veröffentlichte, geht er gnadenlos mit seinem Arbeitgeber ins Gericht. „Ich kann nicht mehr schweigen. Ich kann nicht mehr wortlos hinnehmen, was seit nunmehr anderthalb Jahren bei meinem Arbeitgeber, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk passiert. In den Statuten und Medienstaatsverträgen sind Dinge wie ‘Ausgewogenheit‘, ‘gesellschaftlicher Zusammenhalt‘ und ‘Diversität‘ in der Berichterstattung verankert. Praktiziert wird das genaue Gegenteil. Einen wahrhaftigen Diskurs und Austausch, in dem sich alle Teile der Gesellschaft wiederfinden, gibt es nicht.“
Er sei von Beginn an der Ansicht gewesen, der öffentlich-rechtliche Rundfunk müsse „genau diesen Raum füllen“, so Skambraks: „den Dialog fördern zwischen Maßnahmenbefürwortern und Kritikerinnen, zwischen Menschen, die Angst haben vor dem Virus, und Menschen, die Angst haben ihre Grundrechte zu verlieren, zwischen Impfbefürworterinnen und Impfskeptikern. Doch seit anderthalb Jahren hat sich der Diskussionsraum erheblich verengt.“
Wissenschaftler und Experten, die vor Corona respektiert und angesehen gewesen seien, und auch im öffentlichen Diskurs vertreten, seien nun plötzlich „Spinner, Aluhutträger oder Covidioten“. Wie etwa Wolfgang Wodarg, Facharzt, Epidemiologe und langjähriger Gesundheitspolitiker. „Anstelle eines offenen Meinungsaustausches sei ein ‘wissenschaftlicher Konsens‘ proklamiert“ worden, „den es zu verteidigen gilt. Wer diesen anzweifelt und eine multidimensionale Perspektive auf die Pandemie einfordert, erntet Empörung und Häme.“
Dieses Muster, so berichtet Skambraks aus dem Maschinenraum der gebührenfinanzierten Sender, funktioniere auch innerhalb der Redaktionen. „Absolut und unisono“ wirke der vermeintliche Konsens dort: „Seit einigen Monaten wage ich mich aufs Glatteis und bringe hier und da eine kritische Anmerkung in Konferenzen ein. Oft folgt darauf betroffenes Schweigen, manchmal ein ‘Dankeschön für den Hinweis‘ und manchmal eine Belehrung, warum das so nicht stimme. Berichterstattung ist daraus noch nie entstanden.“
Das Fazit des Journalisten: „Das Ergebnis von anderthalb Jahren Corona ist eine Spaltung der Gesellschaft, die ihresgleichen sucht. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat daran großen Anteil. Seiner Verantwortung, Brücken zwischen den Lagern zu bauen und Austausch zu fördern, kommt er immer seltener nach.“ Oft werde als Argument angeführt, die Kritiker seien „eine kleine, nicht beachtenswerte Minderheit“, denen man „aus Proporzgründen nicht zu viel Platz einräumen dürfe“. Schon sehr früh habe die Gleichung gegolten, „ Kritik am Coronakurs der Regierung gehöre dem rechten Spektrum an. Welche Redakteurin wagt es da noch, einen Gedanken in diese Richtung zu äußern?“
Weiter heißt es in dem offenen Brief: „Wissenschaftler, die einen anderen Umgang mit Corona fordern, bekommen immer noch keine adäquate Bühne bei den öffentlich-rechtlichen Medien, wie die zum Teil diffamierende Berichterstattung zur Aktion #allesaufdentisch wieder gezeigt hat. Anstatt mit den Beteiligten über die Inhalte der Videos zu diskutieren, hat man sich Experten gesucht, die die Kampagne diskreditieren. Damit begehen die Öffentlich-Rechtlichen genau den Fehler, den sie #allesaufdentisch vorwerfen.“
Und weiter: „Der Spiegel-Journalist Anton Rainer sagte im SWR-Interview über die Videoaktion, es handle sich nicht um Interviews im klassischen Sinne: ‘Im Prinzip sieht man jeweils zwei Menschen, die sich gegenseitig recht geben‘. Ich hatte Bauchschmerzen, nachdem ich mir die Berichterstattung meines Senders angehört hatte, und war vollkommen irritiert vom fehlenden journalistischen Grundverständnis, auch die Gegenseite zu Wort kommen zu lassen.“
Fortsetzung folgt morgen.