Trendwende

Kai Rebmann

Trendwende in Sicht? AfD liegt bei Sonntagsfrage vor den Grünen.

Erwachen die Wähler in Deutschland langsam aus dem grünen Dornröschenschlaf oder ist es nur eine Momentaufnahme? Erstmals seit rund viereinhalb Jahren liegen die Grünen wieder hinter der AfD und wären aktuell nur noch die viertstärkste Kraft im Land. Das jedenfalls sagen zwei aktuelle INSA-Umfragen vom vergangenen Wochenende. Wohl nur ein schwacher Trost: Mit 15 Prozent würden die Grünen fast das identische Ergebnis der Bundestagswahl 2021 (14,8 Prozent) erreichen, während die Koalitionsfeinde der SPD (21,5 Prozent, minus 4,2) und FDP (7,5 Prozent, minus 4,0) deutliche Einbußen hinnehmen müssten.

Mit deutlichem Abstand an der Spitze stünde die Union mit 28 Prozent (2021: 24,1 Prozent). Die AfD würde auf 16 Prozent (10,3 Prozent) kommen, die Linke müsste mit 5 Prozent (4,9 Prozent) erneut um den Einzug in den Bundestag bangen. Auffällig aber ist vor allem, wie einige politische Kommentatoren in den Medien diese Umfragen herunterzuspielen versuchen, obwohl es sich um nicht mehr als eine Momentaufnahme handelt.

Der hauchdünne Vorsprung der AfD sei Ausdruck einer derzeitigen Schwäche der Grünen anstatt einer vermeintlichen oder tatsächlichen Stärke der Blauen. Das ist freilich nur die halbe Wahrheit, denn die Alternativen waren seit der Bundestagswahl 2021 bei INSA nie stärker, als es aktuell der Fall ist. Im Sommer 2022 lag die AfD bei den Meinungsforschern zeitweise sogar noch im einstelligen Bereich.

Trotz ihres komfortabel anmutenden Polsters hat auch die Union zuletzt wieder etwas an Zustimmung eingebüßt. Zu Beginn dieses Monats hatte die größte Oppositionspartei noch Werte von über 30 Prozent erreicht. Aber davon abgesehen, wird es für CDU und CSU in Deutschland auf Sicht nahezu unmöglich sein, einer Regierung anzugehören oder diese sogar zu führen, ohne vier Jahre später von ihrem ohnehin immer kleiner werdenden konservativen Wählerstamm abgestraft zu werden.

Denn: Die Union sitzt in einer selbst gestellten Koalitionsfalle. Unter Angela Merkel ließ sich die CDU – und mit ihr die Schwesterpartei CSU – vom linken Lager eine Absage jeder Form der politischen Zusammenarbeit mit der AfD abnötigen. Seither ist nach jedem Urnengang, sei es die Bundestagswahl oder eine Kommunalwahl in einer 1000-Seelen-Gemeinde, das immer gleiche Mantra zu hören, wonach man mit allen „demokratischen Parteien“ über mögliche Koalitionen sprechen werde. Nicht dazu gehören dem eigenen Verständnis zufolge grundsätzlich die AfD und meistens – aber ausdrücklich nicht immer – die Linke.

Ohne die AfD erscheinen bürgerliche Mehrheiten – sofern man CDU und CSU noch als „bürgerlich“ bezeichnen will – bis auf Weiteres aber nahezu ausgeschlossen. Oder anders ausgedrückt: Mindestens eine Partei aus dem rot-grün-linken Spektrum wird immer mit am Regierungstisch sitzen und der Union je nach Ausgangslage mehr oder weniger große Zugeständnisse abringen können. Einzige Ausnahme ist derzeit Bayern (CSU und FW), wo das Kreuz bei und mit der CSU nach wie vor den Rang einer obersten Bürgerpflicht genießt.

Österreich zittert vor dem Rechtsruck.

Von einer Regierung der Mitte oder gar einem Rechtsruck scheint die Politik in Deutschland also noch weit entfernt zu sein, zumindest soweit es die Bundesebene betrifft. Etwas anders stellt sich die Situation in Österreich dar. Ende Januar 2023 sorgte dort die Landtagswahl in Niederösterreich bzw. deren Ergebnis für Aufsehen. Die schwarze ÖVP verlor die absolute Mehrheit im Parlament und stürzte auf historisch schlechte 39,9 Prozent ab. Gleichzeitig konnte die FPÖ um knapp zehn Prozent auf jetzt 24,2 Prozent zulegen.

Am Ende der Koalitionsverhandlungen standen ein schwarz-blaues Bündnis und die dazugehörige Schnappatmung bei den Grünen. Irmi Salzer, die stellvertretende Kabinettschefin von Österreichs Klimaministerin Leonore Gewessler, zeigte sich am 18. März auf Twitter so schockiert, dass sie prompt die Abschaffung der Bundesländer und damit die Beendigung des verfassungsrechtlich verbrieften Föderalismus in der Alpenrepublik forderte.

Richtig ist zwar, dass insbesondere FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer alles andere als unumstritten ist, was aber nichts an der grundsätzlichen Gültigkeit des Votums der Niederösterreicher ändert. Für Nikolaus Kunrath von den Grünen Wien reichen aber auch harmlose und sowohl von der Meinungsfreiheit als auch dem Verfassungsrecht zweifelsfrei gedeckte Aussagen, um dahinter einen Skandal zu wittern. So etwa hinter dem von FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl im Rahmen eines TV-Interviews zum Ausdruck gebrachten Bedauern, wonach Wien noch Wien wäre, wenn die Vorstellungen der FPÖ beim Asylrecht umgesetzt worden wären.

Auch bei unseren Nachbarn hatten sich die rot-grün-linken Parteien häuslich eingerichtet und waren es gewohnt, wesentliche Teile der Regierungsposten auf Bundes- und Landesebene mit den eigenen Leuten zu besetzen. Dass sie in Niederösterreich jetzt  überhaupt keine Geige mehr spielen sollen, weder in der Regierung – bis auf zwei (von neun) Sitzen, die aufgrund der Besonderheiten des Wahlrechts für die SPÖ abgefallen sind – noch im Parlament, ist für die rot-grün-linken Parteien offenbar schwer zu ertragen.

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