Er stellt Einwegfeuerzeuge in einer Reihe auf die Fensterbank neben den laufenden Fernseher, nimmt ein Zigarettenpapier aus der zerrissenen Packung, sein Tabakbeutel ist längst leer, und knüllt es zu einer kleinen Kugel, die er im Mund befeuchtet, knickt den Lauf seiner Luftpistole. Die Papierkugel passt genau. Er spannt, zielt, schießt auf die Reihe. Plopp! Getroffen! Geringe Mengen von Glück sickern in seinen Körper. Er steht auf, um die Feuerzeuge neu zu ordnen.
Der elektronische Fünfklang an der Wohnungstür stört. Später Nachmittag. Das ist nicht die Zeit für Gerichtsvollzieher oder Stromabsteller. Fach öffnet erst das Fenster, drückt dann den Türöffner. Frauen empfinden den Geruch von nicht entsorgtem Müll und seit Wochen nicht gewechselter Bettwäsche selten als stimulierend. Vor seiner Tür steht keine Frau. Der Typ ist extrem dürr, rothaarig, unrasiert und sagt: Döblin meint, Du brauchst Geld. Er hat einen Job für Dich.
Döblin ist der Besitzer einer Kneipe, in der Fach regelmäßig abhängt, und er sorgt dafür, dass Fach von Zeit zu Zeit Geld verdient, um seine Biere zahlen zu können. Keiner weiß wie Döblin wirklich heißt. Man nennt ihn so, weil er oft nach Feierabend, wenn nur noch ein paar Stammgäste da sind, die Tür abschließt, eigene Stories vorliest und Gratisdrinks ausschenkt. Die Geschichten sind erträglich, die Drinks gut.
Der Rothaarige setzt sich auf den Plastikstuhl, fummelt umständlich eine Pappschachtel aus seiner Umhängetasche. Sagt: Kühl hier. Rykestraße 8, bei Willnow, Du bekommst Dreihundert. Döblin sagt, Du weißt dann schon, was zu tun ist. – Was is`drin? – Wirst Du sehen. Mach`s oder lass es.
Zeichnung: Rolf Hannes
Der Dürre geht. Die Schachtel liegt auf dem Bett. Sie ist mit Klebeband verschlossen, leicht zu öffnen und, ohne Spuren zu hinterlassen, wieder zu verschließen. Schütteln verrät nichts über den Inhalt. Er beginnt das Klebeband vorsichtig zu lösen.
Eine Polizeisirene schneidet das Morgengrauen. Die Tür ist offen. Drei Beamte betreten die Altbauwohnung. Der Körper liegt quer, ist weiblich und erstochen.
Das Ende der Nacht. Bei Sonnenaufgang die Straßen runter. Das Messer, das er in der Schachtel gefunden hat, ist während seiner Reise durch die Nacht in einem Kanal versunken. Döblin sagt nie genau, was zu tun ist, Fach musste allein entscheiden, und Döblin ist dann nicht verantwortlich. Er hat bei Willnow geklingelt. Nach mehrmaligem Läuten öffnete eine verschlafene Frau im Bademantel. Der Geruch und die Wärme ihrer Laken und Kissen umgeben sie und wecken Erinnerungen. Die Dreihundert Euro sind Gegenwart. Er entscheidet sich. Die Pappschachtel stopft er später in eine übervolle Wertstofftonne.
Es ist Zeit, an’s Meer zu fahren.