Todd, wo ist dein Stachel?

Todd

© Rolf Hannes

Der Anthropologe und Historiker Emmanuel Todd fährt in seinem Interview vom 22. Mai in der ZEIT schweres Geschütz auf. Er argwöhnt den Zerfall Europas und macht die Deutschen dafür als die Hauptschuldigen aus.

Eine Salve, die er losballert: Deutschlands eigentlicher Vorteil gründe auf sozialen Archaismen. Die deutsche Gesellschaft habe sich nicht wie die amerikanische, englische und französische Gesellschaft deindustrialisiert. Deindustrialisierung sei aber ein Phänomen der Modernisierung.

Todd vermißt in Deutschland die Frauenemanzipation. In Deutschland studierten nur 83 Frauen auf 100 Männer. Das ist ihm Beweis dafür, daß Deutschlands Erfolge in einem mentalen Archaismus verankert sind. Überhaupt studieren in Frankreich auch mehr Männer als in Deutschland. Die Nichtstudierenden sind ihm als Arbeiter verdächtig, sie gehen ihm zu sehr der Nützlichkeit als dem emanzipierten modernen Schlendrian nach.

Innerlich habe ich mir die europäische Befindlichkeit ausgemalt. Solange die Engländer in ihrer Commonwealth-Glorie zuhause waren, galt ihnen die Welt als untertan und das ungeliebte Europa als ungefährlich. Als sie neben sich Deutschland als Wirtschaftsmacht erstarken fühlten und auch die Wiedervereinigung nicht verhindern konnten, wurden sie sauer und klinkten sich aus. Und für französischen Nationalstolz war es schon immer unerträglich, ein erfolgreiches Deutschland neben sich zu wissen.

Von Italien sprach Todd nicht. Die italienischen Politiker sind mit sich, der Schönheit, dem mediterranen Wohlleben und der Mafia beschäftigt und erst recht sauer auf die arbeitsamen Deutschen.

Im Interview wurde festgestellt, 80% der Deutschen seien mit ihrer Regierung zufrieden. Ich gehöre nicht dazu. Mir ist Angela Merkel und ihre Politik sehr zuwider. Und ich weiß, sehr viele Franzosen, Amerikaner, Engländer, Skandinavier, Italiener, Griechen. Spanier, Portugiesen, wenn sie zu den 10% der Reichen gehören, sahnen in Deutschland ihre Milliardengewinne ab und haben nichts dagegen, wenn die Deutschen dieses archaische System wirtschaftlichen Erfolgs aufrechterhalten.

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