Aus leerstehenden Sanatorien werden Schönheitskliniken, sogenannte Schönheitsfarmen. Da sind sie unter ihresgleichen, die Süchtigen, mit ihrem Schönheitswahn. Da lässt man sich, manchmal nach einem psychologischen Gutachten, seinen Körper verziehen, verformen, verkürzen, verlängern. Wie auf einer Speisekarte wählt man zwischen Menü eins bis vierzehn. Viele dieser Frauen, auch Männer, sind verwirrt, vom Realitätsverlust wollen sie nicht geheilt werden.
Diese Kliniken sind Werkstätten mit Ersatzteillager geworden. Im Namen der Schönheit ist alles erlaubt. Irrsein ist ein völlig normaler Zustand.
Mia springt von der Couch hoch, ihr Mobilisationstraining beginnt in zehn Minuten. Nervös nestelt sie an ihrem Büstenhalter, befühlt den engen Body unter ihrem Trainingsanzug, Sie steht vor dem Spiegel, findet ihren Busen viel zu kein, die Hüften viel zu breit. Jedes Jahr hat sie Lust auf Veränderung. Sie hat sich im Fitnesscenter für ein Schnupperabo angemeldet.
Radierung mit Aquatinta: Rolf Hannes
In der Nacht wälzt sie sich im Bett, hat Alpträume. Sie ist mit einer Kühltasche auf dem Weg zu einer Tiefkühlabteilung, die sich im Untergeschoss der Klinik befindet. Menschen jeden Alters laufen mit Mundschutz und in keimfreien weißen Anzügen herum. Elektronisch gesteuerte Stangen fahren in Augenhöhe im Kreis an ihr vorbei. An ihnen sind Nasen, Pobacken, lange Beine, Busen in verschiedenen Größen in durchsichtigen Plastikbeuteln aufgereiht. Alles frisch.