Tante Gertrud wuur use Näggerske. Ainmool im Joor kaam se aine Wiäke tau us. Doo saat se van muorgens bit obends in diär Stuabe tieger (neben) diär Küüke, ümme de Büxen un Klaier, dai us Kinger nit meer pässen, ümmeteniäggen, doo en biezken röittelooten oder aan annerer Stië bat aantesetten. Dai Stoffstriepels, dai se doo bröikere füär, fung se in ner allen Plürrenkiste, in dai de Klaidunge, dai uppedracht wuur, inneschmieten wuurte.
Taur Aisten hilligen Kommiaun hiät se mey diän allen Bleyleanzug, diän all meyne baiden Broiers edracht harren, akroot aanepasset. Faake (oft) näggere se öbber de Büxen füär us Kinger te graut. „Doo wässet chey nau in“, mente se. Bat sollten vey maaken? Aantaien un aabewachten, bit dai Büxen noo ainem Joor pässig wuuren. Meyne Moime wundere siek, böi Tante Gertrud öit allen Saaken bat Nigget hienefuckelere. „Gertrud“, sachte se mool: „Döi maikest öit Scheyte Buuter.“
Geern saat iek as Kind bey Tante Gertrud in diär Näggestuabe. Iek konn se allet froogen. Se gaffte gedüllig Aantwoort. Doo näggere se bey widder, dai Brille daip up diär Noose. Dat Raad, dat de Nootel in Bewiegunge satte, drief se unger diär Näggemascheyne mië diän Foiten aan. Mië diär Näggerigge bey früümeden Lüen konn Tante Gertrud nit viel verdainen, öbber se wuur ümmer tefreen.
Muorgens ümme half taine tam twedden Froistücke harr meyne Moime füär Tante Gertrud Büüters mië guuter Buuter un dicken Keese- un Schinkenscheyben eschmeert. Doo gafft et Baunenkaffe mië Zuckerklümpkes un Milk tau. Tante Gertrud aat as ne Luuling (Spatz). Doo blief viel üöbrig. Iek harr waane Schmacht ekriegen. Un as se wieer mië iärer Arbet aanfäng, konn iek sau richtig rainhoggen. Iek ganz allaine. Meyne Broiers un meyn Süster wuuren all inner Schaule.
Collage mit Zeichnung: Marianne Mairhofer
Noo’m Middaagiäten stallte meyne Moime nau en Inmachglass mië Plöimen uppen Disk un laat us ne Augenblick allaine. Tante Gertrud harr auk miëeiäten. As Näggerske wuur se füär düse Wiäke bey us in Kost. „O wai, nöi häbbe iek ne Plöimensteyn verschluaken!“, joomerere iek vertweyfelt un dachte aan dat, bat meyn ällester Brauer esacht harr: „Bann dey öit Versaien ne Plöimenkiärn döör’n Hals rutschket, wassen noo ennigen Wiäken Twaige vam Plöimenbaum öit Ooren, Noose un Möil.“ „Borümme joomerst de?“, froogere Tante Gertrud. „Iek häbbe ne Plöimensteyn verschluaken. Nöi wasset mey balle ne Plöimenbaum öit’m Leyf.“ „Bai hiät dey dat dann vüöreluagen?“ „Meyn Brauer hiät dat vertallt. Dai is all inner Schaule un mott dat wieten. Dai saat am Küükendisk un glümschkere (grinste). „Dumm Tuig!“, winkere Tante Gertrud aabe. Bo se all wieer in iäre Näggekaamer gooen woll, dräggere se siek naumool ümme: „Kenne Suorge, meyn Junge, dai Steyn soll siek im͜ Eeseluak wual wieerfingen.“ Tworens (zwar) häbbe iek dat doomools nit verstooen, öbber Tante Gertrud vertrugget, dat dat mië Plöimensteynen im Leyf nit sau schliem seyn konn. Van doo aan hätt mey dai Plöimen nau biäter eschmacht.
Un Tante Gertrud? Ennen Daages is se nit meer ekuumen, as de Lüe genaug Geld harren un siek ümmer wieer nigge Klaidunge kaupen konnen. Öbber vergiäten häbbe iek Tante Gertrud nit, absunders nit iären Spruch, dat me ümme klaine Steyne nit gleyk en graut Bohei maaken mott. Bann me ainmool obends mië iäne inneschloopen is, verlootet se ennen am anneren Muorgen ganz van sölbers.
Wieder solch ein spaßiger Hirnbrecher von Peter Dohle im Briloner Platt. Brilon ist ein schönes und munteres Städtchen im Sauerland. Wenn dort die meisten auch allgemein gepfllegtes Hochdeutsch sprechen, so haben sich doch manche die Vorliebe für ihr heimatliches Platt bewahrt.
Meine Empfehlung: Die Geschichte sich langsam und geduldig laut vorsprechen. Selbst wenn Sie kaum was verstehn, reinigen die Buchstaben ihr Hirn wie der Gesundbrunnen einen müden Körper. Dreimal und öfters! Ich hab’s ausprobiert, auch meine Frau, und wir schwören darauf wie auf ein heilsames Medikament.
Für die Zauderer und Ungläubigen gibt’s in einigen Tagen die hochdeutsche Übersetzung.
Peter Dohle – Tante Gertrud (hochdeutsche Übersetzung)
Tante Gertrud war unsere Näherin. Einmal im Jahr kam sie eine Woche zu uns. Da saß sie von morgens bis abends in der Stube neben der Küche, um die Hosen und Kleider, die uns Kindern nicht mehr passten, umzunähen, da ein bisschen rauszulassen oder an anderer Stelle was anzusetzen. Die Stoffstreifen, die sie dazu brauchte, fand sie in einer alten Lumpenkiste, in die die aufgetragene Kleidung reingeworfen wurde.
Zur Ersten heiligen Kommunion hat sie mir den alten Bleyleanzug, den schon meine beiden Brüder getragen hatten, genau angepasst. Oft nähte sie die Hosen für uns Kinder zu groß. „Da wachst ihr noch rein“, meinte sie. Was sollten wir machen? Anziehen und abwarten, bis die Hosen nach einem Jahr passend waren. Meine Mutter wunderte sich, wie Tante Gertrud aus alten Sachen was Neues hinkriegte.
„Gertrud“, sagte sie mal: „Du machst aus Scheiße Butter.“
Gern saß ich als Kind bei Tante Gertrud im Nähzimmer. Ich konnte sie alles fragen. Sie gab geduldig Antwort. Dabei nähte sie weiter, die Brille tief auf der Nase. Das Rad, das die Nadel in Bewegung setzte, trieb sie unter der Nähmaschine mit den Füßen an. Mit der Näherei bei fremden Leuten konnte Tante Gertrud nicht viel verdienen, doch sie war immer zufrieden. Morgens um halb zehn zum zweiten Frühstück hatte meine Mutter Butterbrote mit guter Butter und dicken Käse- und Schinkenscheiben geschmiert. Dazu gab es Bohnenkaffee mit Zuckerklümpchen und Milch. Tante Gertrud aß wie ein Spatz. Da blieb viel übrig. Ich hatte Riesenhunger gekriegt. Als sie wieder mit ihrer Arbeit anfing, konnte ich so richtig reinhauen. Ich ganz allein. Meine Brüder und meine Schwester waren schon in der Schule.
Nach dem Mittagessen stellte meine Mutter noch ein Einmachglas mit Pflaumen auf den Tisch und ließ uns einen Augenblick allein. Tante Gertrud hatte auch mitgegessen. Als Näherin war sie für diese Woche bei uns in Kost. „O weh, nun habe ich einen Pflaumenkern verschluckt!“, jammerte ich verzweifelt und dachte an das, was mein ältester Bruder gesagt hatte: „Wenn dir aus Versehen ein Pflaumenkern durch den Hals rutscht, wachsen nach einigen Wochen Zweige vom
Pflaumenbaum aus Ohren, Nase und Mund.“ „Warum jammerst du?“, fragte Tante Gertrud. „Ich habe einen Pflaumenstein verschluckt. Nun wächst mir bald ein Pflaumenbaum aus dem Leib.“ „Wer hat dir das denn vorgelogen?“ „Mein Bruder hat das erzählt. Der ist schon in der Schule und muss das wissen.“ Der saß am Küchentisch und grinste. „Dumm Zeug!“, winkte Tante Gertrud ab. Als sie schon wieder in ihr Nähzimmer gehen wollte, drehte sie sich noch mal um: „Keine Sorge, mein Junge, der Stein soll sich „im͜ Eeseluak“ wohl wiederfinden.“ Zwar habe ich das damals nicht verstanden, aber Tante Gertrud vertraut, dass das mit Pflaumensteinen im Bauch nicht so schlimm sein konnte. Von da an haben mir die Pflaumen noch besser geschmeckt.
Und Tante Gertrud? Eines Tags ist sie nicht mehr gekommen, als die Leute genug Geld hatten und sich immer wieder neue Kleidung kaufen konnten. Aber vergessen habe ich Tante Gertrud nicht, besonders nicht ihren Spruch, dass man um kleine Steine nicht gleich ein großes Bohei machen muss. Wenn man einmal mit ihnen abends eingeschlafen ist, verlassen sie einen am anderen Morgen ganz von selbst