Fridays for Future und Corona
Bis Greta Thunberg auf der Bildfläche erschien, mit ihr die Klimaapokalypse und die deutschen Vertreterinnen von Fridays for Future. Sie lieferten das gesuchte Ersatzthema, das die Big-4 als Pflaster über die immer noch anhaltende Massenzuwanderung zu kleben bereit waren. Jedenfalls so lange, bis Anfang 2020 Corona das Zepter übernahm. Auf der Meta-Ebene wurden aber weiter die Grünen auf eine Weise öffentlich-rechtlich gepusht, der Bakelit-Volksempfänger sollte daneben blass aussehen.
Ende 2019 war Annalena Baerbock (Grüne) von der kleinsten im Bundestag vertretenen Partei (8,9 Prozentpunkte) der am häufigsten bei den Big-4 eingeladene Gast. Das ZDF-Politbarometer sah die Grünen zu dem Zeitpunkt bei 23 Prozent. Ein Schelm, wer da nicht eins plus eins zusammenrechnen kann.
Aber auch Katrin Göring-Eckardt (Grüne) und Sahra Wagenknecht (Linke) lagen dicht hinter Baerbock, Vertreter des Oppositionsführers AfD liefen allenfalls im Windschatten. Beispielsweise der Merkur befand damals: „Gemessen am Stimmenanteil im Politbarometer (14 Prozent, ein Prozentpunkt mehr als die SPD) ist die Partei damit stark unterrepräsentiert.“
Damit war es besiegelt: Dieses Missverhältnis besteht bis heute weiter. Vergleicht man allerdings Ende 2021 die Talkshow-Zusammensetzungen der Big-4, dann könnte man sich fast zurücksehnen nach dem Missverhältnis der Vorgängerjahre. Die Big-4 hatten also ihre Gästelisten eingeschmolzen, standen dann allerdings zwangsläufig vor dem Problem, das Konzept des Streitens und der kontroversen Debatte gleich mit zu vernichten.
Die Selbstbeschreibung beispielsweise von Maybritt Illner klingt heute wie lupenreine Satire:„Intelligent, scharfzüngig, rasant – der Polittalk zum aktuellen Thema der Woche. Bei Maybrit Illner und ihren Gästen wird kontrovers debattiert und leidenschaftlich um Lösungen gerungen.“ Auch der Jingle zum Sendebeginn, die dramatisch arrangierte kurze einprägsame Melodie, wirkt schräg als Auftakt zum neuen sedierten Konzept dieses Formates.
Ein Karl Lauterbach (SPD), Gesundheitsexperte seiner Partei, ist der am häufigsten eingeladene Talkgast in den über zwei Jahre hinweg nicht mehr enden wollenden Corona-Runden. Fast schon folgerichtig ist er jetzt der nächste Bundesgesundheitsminister.
Wie soll man also diese Sendungen noch guten Gewissens rezensieren? Wer sich an diese Besprechungen heranwagt, der läuft ja schon Gefahr, dem Staatsfernsehen auf den Leim zu gehen. Denn macht man es journalistisch aufrichtig, wäre man ja gezwungen, dieses Missverhältnis in jeder einzelnen Rezension wie die Warnung auf den Zigarettenschachteln immer wieder neu zu erzählen. Auf das Problem angesprochen, erklärte mir noch Anfang des Jahres ein gestandener Journalist, solche Sendungen könnten ja keine Abbildung des Parlaments sein. Eine Rechtfertigung, diesen Staatsfunk-Inszenierungen trotzdem weiter zu folgen, blieb der sonst so wachsame und erfahrene Kollege aber schuldig. Nicht vergessen: Die politische Kontroverse ist planvoll aus allen Big-4-Talkshows eliminiert worden.
Schluß folgt morgen.