Sufi-Geschichte 30

Wach auf, wach auf, wach auf!


© R. H.

Kabir sagt:

Freund, wach auf! Warum schläfst du noch? Die Nacht ist vorbei – möchtest du den Tag auf gleiche Weise vertun? Anders die Frauen, die morgens früh aufstehn und einen Elefanten finden oder einen Edelstein. Vieles hast du verpaßt, derweil du schliefst. Und es war so unnötig.

Kabir sagt: Die einzige wache Frau ist die, die die Flöte gehört hat.

Der Eine, der dich liebt, verstand, aber du nicht. Du vergaßt einen Platz bereitzuhalten neben dir im Bett. Stattdessen verplemperst du dein Leben. In deinen Zwanzigern bist du nicht gewachsen, weil du nicht wußtest, wer dein Lord war. Wach auf! Es gibt niemanden in deinem Bett, er verließ dich während der langen Nacht.

Ich tändelte 10 Jahre lang mit gleichaltrigen Mädchen, aber nun erschrecke ich plötzlich. Ich klettere einige Stiegen hoch – sie sind hoch. Jedoch muß ich meine Angst fahren lassen, wenn ich Anteil haben möchte an Dieser Liebe. Ich lege meine Gewänder ab und treffe ihn in voller Größe meines Körpers. Meine Augen haben diesmal die Liebeskerzen zu sein.

Kabir sagt: Männer und Frauen in Liebe werden dieses Poem verstehn. Was du fühlst für den Einzigen ist nicht Sehnsucht, warum solltest du dich damit abgeben und deine Zeit vertun mit Schminken der Lider.


Kabir (1440 Varanasi – 1518 Maghar), indischer Mystiker, der sich nie in eine religiöse Gruppe eingeordnet hat. Er war muslimischer Herkunft, seine Unterweisungen enthalten viel Sufisches, darum reiht futura99phoenix ihn ein in die Sufi-Geschichten. Geschichten heißen sie nur der Einfachheit halber. Es sind keine Geschichten im herkömmlichen Sinn (das gilt auch für viele der vorausgegangenen), vielmehr sind es Aussprüche, die über Jahre von Schülern gesammelt und aufgezeichnet wurden.

Dieser Beitrag wurde unter Innenleben abgelegt und mit , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert