Sterben für Kiew? Folge 5

Verpasste Gelegenheit

Nach 1991 hatte Russland zum ersten Mal seit dem bolschewistischen Putsch von 1917 die Chance, eine freie Gesellschaft aufzubauen. Der unverdächtige George F. Kennan, der Architekt der amerikanischen Eindämmungspolitik gegenüber der Sowjetunion, nannte die Nato-Erweiterung eine Beleidigung für alle russischen Demokraten. Wir wendeten uns von den Menschen ab, die die größte unblutige Revolution der Geschichte angezettelt hatten.

Inmitten der gegenwärtigen Anti-Putin-Hysterie bin ich der festen Überzeugung, dass die führenden Politiker des Westens die Krise, mit der wir heute konfrontiert sind, aus dem Nichts geschaffen haben. Ich glaube auch, viele von ihnen sind aus unterschiedlichen Gründen so leichtgewichtig, sie genießen es zu drohen – und nicht merken, dass dies tödlich ernst ist.

In öffentlichen Reden und privaten Annäherungen bittet uns Russland seit Jahren, ihm den grundlegendsten Respekt zu erweisen. Wir haben darauf mit Misstrauen und Beschimpfungen reagiert und mit unverhohlenen Versuchen, die Lage in der Ukraine und in Georgien zu verschärfen, zwei unglaublich gefährlichen Krisenherden, an denen nur allzu leicht ein echter Krieg ausbrechen könnte.

Da ich dabei war, als alles möglich war, an jenem Moskauer Sommertag 1991, kann ich diese verpasste Gelegenheit, Russland in die freie Welt einzubinden, weder verzeihen noch vergessen. Und ich denke, die Völker des Westens sollten sorgfältig nachdenken, bevor sie den Weg zu einer neuen, bitteren Teilung Europas einschlagen. Sie ist vermeidbar. Sie bringt uns nichts. Aber sie könnte uns alles kosten.

Peter Hitchens zählt zu den profiliertesten Journalisten Großbritanniens. Dieser Text basiert auf zwei Kolumnen, die er in der Mail on Sunday veröffentlich hat.

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