Sie sind wieder da!

Von Boris Reitschuster

Für mich ist es gruselig, wie Corona genau die Charakter- und Verhaltenszüge bei leider viel zu vielen (wenn auch Gott sei Dank nicht allen) Landsleuten zum Vorschein brachte, die mir schon immer unheimlich waren, und die ich – naiverweise – für überwunden gehalten habe. Aber sie sind wieder da. Oder noch da?

In anderen Ländern wie den osteuropäischen, die ich gut kenne, wären sie unvorstellbar. Gut, einzelne Verwirrte mit Macht-, Kontroll- oder anderen Zwängen sind auch dort anzutreffen. Aber eben nur sehr vereinzelt, und sie werden nicht akzeptiert von der Mehrheit. Für die meisten Ukrainer, Russen, Montenegriner, Kroaten oder Serben sind solche Durchsagen wie die oben beschriebenen unvorstellbar. Wenn ich ihnen darüber berichte, reagieren sie meist erst mit Unglauben. Und dann mit Kopfschütteln.

Woher kommt dieses verbissene, absurde, obrigkeitshörige, vorauseilende Festhalten an Vorschriften, die ganz offensichtlich sinnentleert sind – hier schon allein deswegen, weil die Pflicht ja bald wegfällt? Die Antworten sind wohl tief in unserer Kultur und unserer Geschichte zu suchen. Und sie sind beängstigend. Denn wir alle wissen, wohin diese Wesens- und Verhaltenszüge in letzter Instanz führen können.

Gleichgültig und geistig weichgespült

So traurig und schwer es ist, das einzugestehen: Mir ist Deutschland unheimlich geworden. Genauer gesagt, der verbissene Teil der Deutschen, dem ich inzwischen schreckliche Dinge zutrauen würde. Heute terrorisieren sie Maskenmuffel und Ungeimpfte. Und wen morgen, wenn man es ihnen vorschreibt und/oder sie aufhetzt? Unheimlich ist mir auch die apathische Mehrheit, die alles wie in Agonie hinnimmt. Gleichgültig. Geistig weichgespült. Satt oder hoffnungslos.

Mir tut es im Herzen weh für die 20, vielleicht auch 30 Prozent, zu denen auch ich mich zähle, die diese Entwicklung genauso wie ich mit weit aufgerissenen, erstaunten und auch weinenden Augen sehen, sich fühlen wie im falschen Film und sich fragen: Wo leben wir nur? Was ist das für eine Gesellschaft?

Ich würde Ihnen jetzt gerne eine schöne Auflösung, ein Happy End, bieten. Das Problem ist nur: Ich habe keines. Im Gegenteil: Ich muss jetzt beim Schreiben dieser Zeilen an ein Zitat von Professor Stefan Homburg denken, das er vor wenigen Tagen auf Twitter veröffentlicht hat. Er verstehe jetzt, wie 1933 möglich gewesen sei. Besser kann man es nicht auf den Punkt bringen, wie gespenstisch dieses Geschehen ist.

Warnhinweis

An dieser Stelle in diesen hysterischen Zeiten noch ein Sicherheitshinweis für rotgrüne „Feindbeobachter“, die hier mitlesen: Nein, das ist keine Gleichsetzung. Wir haben keine Zustände wie 1933. Es geht um Mechanismen und Ansätze, die nicht zu verleugnende Ähnlichkeiten aufweisen. Es geht um bedingungslosen Gehorsam, Untertanengeist, Obrigkeitshörigkeit, es geht um Herdentrieb, vorauseilenden Gehorsam, Opportunismus, Mitläufertum, Apathie der Mehrheit und die dadurch mögliche Durchschlagskraft von radikalen Minderheiten und radikalen Ideen und Vorstellungen. Die Ausgrenzung von Minderheiten, die Diffamierung und Entmenschlichung von Andersdenkenden, den Applaus der Masse dafür, die Versuche, die Existenz von Unbequemen, „Querdenkern“ zu vernichten. Um die Ausschaltung der Ratio zugunsten von Emotionen, von Angst.

All das mit eigenen Augen und Ohren miterleben zu müssen, ist wie gelebter Geschichtsunterricht. Den wir uns liebend gerne erspart hätten. Besonders bizarr: Diejenigen, die besonders fest auf die Mistgabeln der Geschichte treten, die den oben aufgeführten Mechanismen völlig verfallen, sie alle diffamieren die Minderheit, die sie treten, auch noch gerne als „Nazis“. Sie nennen sich selbst „Antifaschisten“. Und sind dabei fern von jeder Selbstreflexion darüber, wer hier mit seinem Verhalten wirklich an verhängnisvolle Mechanismen vergangen geglaubter Zeiten erinnert.

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