Von Daniel Weinmann
Schöne neue Medienwelt: Verleumden, was nicht ins linke Weltbild passt: Meinungsfreiheit unter Beschuss
Nils Melzer, der UN-Sonderberichterstatter für Folter und Menschenrechtsverletzungen, verlässt vorzeitig sein Amt und wird Direktor des Internationalen Roten Kreuzes. Die beiden Funktionen seien nicht kompatibel, darum der Rücktritt, lautet die offizielle Begründung.
Der Schweizer Rechtswissenschaftler hat zuletzt besonders durch den Einsatz für die Freilassung Julian Assanges und seine beharrliche Nachverfolgung von Polizeigewalt und Menschenrechtsverletzungen auf Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen auf sich aufmerksam gemacht.
Vor allem Letzteres dürfte der Hauptgrund für die Chefredaktion der „Süddeutschen Zeitung“ gewesen sein, zwei Redakteure mit der Diffamierung Melzers zu beauftragen. Die legten sich auf einer halben Seite ins Zeug und versuchten mit der Headline „Hauptsache laut“ Aufmerksamkeit zu heischen. Gleich im Vorspann wird klar, wohin die inhaltliche Reise gehen soll: „Die fragwürdigen Methoden des Nils Melzer: Der UN-Folterberichterstatter setzt sich für Opfer staatlicher Gewalt ein, und besonders für Julian Assange. Es mehren sich jedoch die Hinweise, dass er dabei zu weit geht.“
Belege für diese These finden sich im gesamten Text nicht. Überhaupt werden sich viele geneigte Leser hier die Frage gestellt haben: Kann man beim Kampf gegen staatliche Gewalt und Folter überhaupt zu weit gehen?
«Da wimmelt es von Rechtsextremisten und Kreml-Apologeten»
Ein Dorn im Auge der staatsergebenen Redakteure dürfte insbesondere Melzers Reaktion auf ein Video sein, das einen brutalen Einsatz Amsterdamer Polizisten gegen einen am Boden liegenden Demonstranten zeigt: „Dringend: Dies ist eine der widerlichsten Szenen von #Polizeibrutalität seit #GeorgeFloyd! Diese Beamten und ihre Vorgesetzten müssen für #Folter-Verbrechen belangt werden!“
Polizisten, die gegen Corona-Demonstranten vorgehen, derart kritisch zu betrachten, dürfte bei der „Süddeutschen Zeitung“ einem Sakrileg gleichkommen.
Daher mag kaum verwundern, dass die Autoren tief in den Diffamierungs-Werkzeugkasten greifen. „Der Schweizer Nils Melzer hat auf Twitter viele zweifelhafte Kontakte“, behaupten sie, „da wimmelt es von Rechtsextremisten und Kreml-Apologeten aus allen Ländern, mit denen er kommuniziert.“
Es folgen weitere Versuche, die Arbeit des Professors für Humanitäres Völkerrecht in Glasgow und Genf zu diskreditieren. „Kann es sein, dass dieser UN-Berichterstatter mit seinem Aktivismus Grenzen überschreitet? Wer kontrolliert solche Kontrolleure überhaupt?“, fragt das Autorenduo beispielsweise. Auch hier würde man gern wissen: Ist ein Folterberichterstatter zu verurteilen, weil er zu aktiv ist?
«Uns ist die Pressefreiheit ein großes Anliegen»
Melzer bemängelt via Twitter eine „bizarre Schmierkampagne“ gegen die Integrität seiner Mandatsführung. „Dann steckt sie plötzlich den Kopf in den Sand & verweigert die Veröffentlichung einer Replik. Seriöser Journalismus sieht anders aus.“ Seine Gegendarstellung will die „SZ“ indes nicht veröffentlichen.
„Nils Melzer hat es abgelehnt, seine Replik als Leserbrief zu veröffentlichen“, rechtfertigt sich die „SZ“ kümmerlich via Twitter, „uns ist die Pressefreiheit ein mindestens ebenso großes Anliegen wie ihm.“
Dieses „SZ“-eigene Selbstverständnis von Pressefreiheit stößt bei vielen Lesern des Artikels auf massives Unverständnis. „Habt Ihr schon mal darüber nachgedacht, diesen antiquierten Titel ‚Süddeutsche Zeitung‘ abzulegen?“, rät ein Leser der Redaktion des Blattes – um gleich passende Vorschläge zu unterbreiten: „Wie wäre es mit ‚Alpen-Pravda‘? Oder ‚Antivölkischer Beobachter‘? ‚Neues Süddeutschland‘ vielleicht? Wäre irgendwie dem Inhalt angemessener.“
„Eine zynische, käufliche, demagogische Presse wird mit der Zeit ein Volk erzeugen, das genauso niederträchtig ist, wie sie selbst“, befand der 1911 gestorbene Journalist Joseph Pulitzer und Stifter des nach ihm benannten Preises bereits vor mehr als einem Jahrhundert. Besser lässt sich das Schaffen der „Süddeutschen Zeitung“ im Jahr 2022 nicht auf den Punkt bringen.