Lucy
Die innere Stimme schweigt, Lucy sieht sich um, der Bürgersteig ist so breit, dass zwischen der gebeugten alten Dame im türkisen Kleid und dem entgegenkommenden Männerberg in Shorts mit getrimmtem Pudel einige Meter Platz sind. Der Pudel bemerkt das Fahrrad zuerst, quiekt erschrocken. Überlebt. Der Radfahrer weicht aus. Er korrigiert seinen Kurs knapp an dem gebeugten, türkisen Damenrücken vorbei und quert die Seitenstraße. Der Haufen in Shorts reagiert. Ja, ja, diese Radfahrer! Die alte Dame erinnert sich an einen Luftzug. Der Wind? Die Raadfaahreer schallt der Berg zurück. Während die gebeugte Dame noch darüber nachdenkt, was der Wind mit Fahrrädern zu tun hat, ist der Fahrer längst außer Sicht. Der Pudel entspannt sich.
Das ist schon das Bemerkenswerteste, was sie die letzten Tage erlebt hat. Nicht einmal erlebt, nur beobachtet. Immer, wenn sie es endlich geschafft hat, für sich Aufmerksamkeit zu erlangen, ist ihr Anliegen genauso außer Sicht wie der Radfahrer.
Grafik: Friedel Kantaut
Ein Echtzeitproblem. Die Lösung sind zwei heiße Ernie- und Bertwärmflaschen, ihr Bett, Pistazieneis und der Fernseher. Später bringt ein Happy End sie zum Heulen. Sie hasst ihre Sentimentalität. Lucy stößt die erkalteten Ernie und Bert von der Bettkante und rollt sich in ihre Decke.
Es ist klein. Verriegelt die Tür. Rollt sich zusammen. Nur kurz öffnet es die Tür wieder einen Spalt breit, schiebt seine Stiefel zum Putzen auf den Flur und hängt ein Schild außen an die Klinke. Do not disturb! Dann wartet es auf die nahenden Schritte des Hoteldieners und entspannt, als sie sich wieder entfernen…….
Das Klingeln ist nicht der Wecker. Lucy wälzt sich herum. Die vier rot leuchtenden Zahlen versprechen noch zwei Stunden bis zum Aufstehen. Viele Träume sind noch möglich. Lasst mich in Ruhe. Es klingelt wieder an der Tür. Ihre Sehnsucht räkelt sich und erwacht. Vielleicht. Und vielleicht doch wieder umsonst. Sie stolpert über Ernie, oder war es Bert, greift ihren Morgenmantel und öffnet die Tür.
Fortsetzung folgt.