1. Juni Schon wieder ein Sonnentag. Wieder werden sich alle entblößen, um zu zeigen, was ihr Körper nicht zu bieten hat. Ein Zettel am Baum sucht einen entflogenen grauen Papagei. Erst als ich spät abends heimkomme, und der Vogel vor meiner Wohnungstür wartet, begreife ich. Er ist geflohen. Ich gebe ihm Asyl. Wir sitzen die ganze Nacht bei Getränken und Nüssen zusammen, reden über das Klima, die Welt, die Vögel und die Menschen. Als ich über Frauen reden will, blockt er ab. Sonst verstehen wir uns gut.
4. Juni Ich habe schon viel zu viel Alkohol drauf gegossen, aber immer wieder taucht Greta auf dem Boden meines Glases auf. Ersauf doch einfach! Heute war ich an unserem Anleger an der Spree. Es war bestenfalls mein Anleger, und die Schute 22, Lastkahn ohne eigenen Antrieb, ist auch weg.
5. Juni Hinter der Horizontlinie aus Dachpfannen und Schornsteinen hängen Kumuluswolken auf verschiedenen Ebenen am Abendhimmel. Ein Mobile aus Illusion, das mich nicht täuschen kann. Eine Invasion droht, jede Wolke tarnt ein Schiff der Außerirdischen. Sie warten, haben Zeit. Nebenbei checken sie meine mails, sehen meine Fernsehprogramme, warten darauf, dass ich angerufen werde, damit sie mithören können. Glücklicherweise vergeblich.
Grafik: Friedel Kantaut
9. Juni Wenn wir zusammen die Welt retten, leben wir dann, wenn wir nicht gestorben sind, noch heute? Oder hat der Bösewicht den besseren Sex, die bessere Welt, das Geld, die bessere Küche. Hat Hitler nachts manchmal in sein Kissen geweint, und wenn ja, entschuldigt das irgendwas. War der Hund des Führers ein guter Hund oder einfach nur ein Hund. Was bleibt, wenn sich die Wirkung von der Ursache trennt. Wenn ich das nächste Mal die Welt retten soll, bezahlt mich.
10. Juni Es gibt Tage wie zu hell beleuchtete Tunnel zwischen zwei Traumzeiten. In Zeitlupe durchschreite ich diese absurde, beleuchtete Röhre, hin zum Dunkel am Ende des Lichts. Geblendete tasten sich an mir vorbei auf der Suche nach einem Ausgang. Andere kauern in Schattennischen. Alle Geräusche werden zu einem Rauschen. Informationen ergeben nur Lärm. Ich schalte meinen Empfänger aus.
Fortsetzung folgt.