Von Daniel Weinmann
„Alles in allem sind diese Nebenwirkungen sehr selten, insbesondere die schweren Nebenwirkungen. Es gibt auch keine Impfungen, die jemals so gut in Bezug auf ihre Nebenwirkungen untersucht worden sind wie die Covid-Impfungen.“ Es dürfte unschwer zu erraten sein, von wem diese Behauptung stammt. Bar jeglicher Evidenz steht sie paradigmatisch für die Einlassungen von Gesundheitsminister Karl Lauterbach.
Außerhalb seines Elfenbeinturms sieht es ganz anders aus, berichten mittlerweile selbst die öffentlich-rechtlichen Medien, die dem SPD-Politiker bislang kritiklos die Stange gehalten haben. Jüngstes Beispiel ist der WDR. „Schwerkrank nach Corona-Impfung“, lautet der Titel einer ausgestrahlten Reportage über eine junge Frau, die vor der Impfung kerngesund war und nun im Rollstuhl sitzt. Die 17-Jährige hat eine seltene Form von Myasthenia Gravis, einer Autoimmunerkrankung, bei der die Verbindungen zwischen Nerven und Muskeln nicht mehr funktionieren und die junge Frau immer schwächer werden lassen. Ohne Blutwäschen und hochdosierte Medikamente würde sie nicht mehr leben.
Für Mediziner wie ihre behandelnde Ärztin und ihren Kinderarzt ist es unklar, ob die Impfung die Autoimmunkrankheit ausgelöst hat. Ihre Mutter ist allerdings überzeugt: Es war die Corona-Impfung, die die junge Selin krank gemacht hat. Eine Anerkennung als Impfschaden wird gleichwohl schwierig. Laut Paul-Ehrlich-Institut sind bei inzwischen knapp 189 Millionen verimpfter Dosen auch einzelne Meldungen zum Auftreten einer Myasthenia Gravis zu erwarten. Das Bundesinstitut sieht bisher aber keinen Hinweis auf einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Impfung und dieser Reaktion.
Betroffene fühlen sich im Stich gelassen von Politik und Wissenschaft.
Die Bundesländer haben einem MDR-Bericht zufolge bislang neun von zehn Anträge auf Anerkennung eines Corona-Impfschadens abgelehnt. Das ergab eine Umfrage des Magazins „Umschau“ im Oktober. Die meisten Verfahren sind noch in Bearbeitung. Von bundesweit 4.835 gestellten Anträgen wurden 963 abgelehnt und 134 anerkannt.
Zu den Gründen machten laut MDR nicht alle Ämter Angaben. Der Kommunale Sozialverband Sachsen etwa erklärte, es habe vor allem an fehlender Kausalität gelegen. Beim LVR Rheinland sind seit dem vergangenen Jahr 444 Entschädigungsanträge nach Coronaimpfungen eingegangen. Bisher wurden 15 anerkannt und 40 abgelehnt.
„Du bist völlig alleine, wenn du Impfnebenwirkungen bekommst“, brachte Felicia Binger in der MDR-Reportage „Post Vac Syndrom – wie Betroffene unter der Corona-Impfung leiden“, die prekäre Lage auf den Punkt. Schon im März beleuchtete die ARD in der „plusminus“-Sendung mit dem Titel „Impfschäden – wie Deutschland bei der Erforschung hinterherhinkt“ die Situation. Der Tenor: „Die Betroffenen, vor allem junge Menschen, fühlen sich allein gelassen von Politik und Wissenschaft.“
Impfung muss auch nicht alleiniger Auslöser der Probleme sein.
Doch ganz wohl fühlten sich die ÖRR-Journalisten mit ihrer offenen Berichterstattung offenbar nicht: Die unzähligen Kommentare, die sich laut „Welt“-Redakteur Tim Röhn auf 100 Seiten erstreckten, wurden bereits nach wenigen Tagen gelöscht. „Leider waren aus technischen Gründen zwischenzeitlich die bereits veröffentlichten Kommentare nicht mehr sichtbar“, wies die Redaktion jegliche Verantwortung von sich, „es war nicht unsere Absicht, die bisherigen Kommentare zu löschen.“
Geschädigte sollten trotz der unverhältnismäßig hohen Hürden nicht die Hoffnung aufgeben. Rechtsanwalt Joachim Cäsar-Preller etwa vertritt zahlreiche Betroffene und sieht bessere Chancen für Schadenersatz als man angesichts der vielen abgelehnten Fälle annehmen könnte. Ein kausaler Zusammenhang müsse nicht unbedingt bewiesen werden, sagte er im Interview mit reitschuster.de: „Es reicht bereits ein wahrscheinlicher Zusammenhang aus, und die Impfung muss auch nicht alleiniger Auslöser der Probleme sein, es reicht, wenn sie ‚mitursächlich‘ ist.“