Morgenlandreise 84

Mein eigentliches Interesse seit Tagen gilt einem Stallgebäude, das etwas abseits steht vom Bauernhaus. Es ist ein schlichter ebenerdiger Bau, riedgedeckt, weiß gestrichen im Gegensatz zum Bauernhaus. Fenster scheint er nicht zu haben. Bobby sagte, manchmal werde das Haus vermietet, an solche, die sich darin einzurichten verstehn und zufrieden sind ohne alles Drumunddran.

Morgen werde ich die Bauern fragen, ob ich es mir mal anschauen darf, und wenn es mir zusagt, für eine Weile mieten kann.

Das Haus besteht aus einem einzigen Raum, er ist acht Schritte lang, vier breit, hat keine Fenster, nur eine bescheidne Tür und ein Dach, das zwischen sich und der Wand eine handbreit Platz läßt, damit man im einfallenden Licht zwar nicht lesen und schreiben, aber alles erkennen kann.

Nichts enthält der Raum, nichts Zurückgelassenes oder Abgestelltes, keinerlei Unrat, der Boden ist aus festgestampftem Lehm. Sofort entscheide ich mich, in diese Scheune einzuziehn. Das Wort Scheune wird diesem wunderschönen Raum nicht gerecht. Er ist Raum und Haus zugleich, Haus und Raum sind eins, und am ehesten fällt mir dazu das Wort Scheune ein. Nur, Scheune ist abwertend. Sollte ich sagen: Raumhaus?

Eine Weile stehe ich bewegungslos schauend, nachsinnend da. Wie um zu überlegen, wo ich bin, lehne ich mich an eine der Wände. Diese Geschlossenheit, diese Wandung, die bis auf die Türe keine Unterbrechung erfährt, ist es, die mich innehalten läßt. Tief drinnen weiß ich, was ich denke, vielmehr fühle, wie ich das Geschehen eines Traums fühle, ohne mich an ihn erinnern zu können.

Gehe herum, sehr langsam, bis ich vor einer Nische anhalte, gerade so groß, daß eine oder zwei Kerzen darin Platz finden. Maurer haben diese Höhlung gelassen für arme Leute, die nicht das Geld haben für künstliches Licht. Jede der Längsseiten hat zwei solcher Nischen und eine der Stirnseiten eine fünfte.

Der Lehm des Bodens ist leicht gewellt. Über Jahre mögen sich die Unebenheiten in ihm gebildet haben, wie sie jetzt besser nicht zu wünschen sind für das Wohlgefühl nackter Füße. Wie Haut auf Haut fühlt es sich an.

Du wirst dir Kerzen besorgen, noch heute hier einziehn, sage ich mir.

 

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