Unterwegs in Goa
Krishnas Poonum Guest House ist keine Herberge, kein Restaurant, kein Laden, aber von all dem etwas. Du kannst dort übernachten, essen, Kerzen kaufen. Hinter dem Haus, auf einer kleinen Rasenfläche, ist das Brausebad. Auf einem übermannshohen Holzgestell liegt ein mit Wasser gefülltes eisernes Faß, woran ein Rohr gelötet ist. Wenn du darunter stehst, bedienst du an seinem Ende einen Hebel, etwas oberhalb des Kopfs: über dich ergießt sich ein feiner Strahl erfrischenden Wassers.
Du kannst im Poonum schlafen in einem schmucklosen weißgetünchten Raum, der den Blick freigibt bis zu den Ziegeln des Dachs, durch die schummriges Tageslicht fällt und frische Luft. So wurden die Fenster gespart. Wenn du auf dem aus einfachen Kanthölzern zusammengebauten Bettgestell liegst, viele müßige Stunden übertags, kannst du die kleinen Geckos (oder wie immer sie heißen), eine Art Verwandtschaft unsrer Eidechsen, beobachten wie sie ungehindert von Raum zu Raum krabbeln. Über den Mauerrand des Nachbarzimmers schauen sie herüber zu dir wie Theaterleute, die meinen, du könntest nichts dagegen haben, wenn sie mal vorbeikommen, deine Wände von Ungeziefer zu befreien. Sie sind mit Vorliebe nachts unterwegs, wenn sie den Bewohner aber in Augenschein genommen haben und sie ihn als harmlos einstufen, spazieren sie auch tagsüber die Wände entlang, schwerelos mit dem Kopf nach unten, betrachten deine Zehen oder schleichen sich ganz nah an dein Gesicht, um dir in die Augen zu schauen. Dann hältst du im Nachsinnen inne und schaust das kleine Drachentier genau so unverwandt an. Es blinzelt ein bißchen, du blinzelst ein bißchen. Den Augen, die dich beobachten, entgeht nichts im ganzen Raum.
Im samtnen Licht, das von oben gleichmäßig einfällt, verlieren die Gegenstände das Kantige, sie werden weicher und zugänglicher. Alles Lebendige atmet sanfter. Auf dem Rücken eines wunderlichen Wandläufers fängt ein Muster zu blühen an.