Morgenlandreise 39

Vergangne Nacht hatte ich einen Traum und am Morgen noch einen zweiten. Im ersten bin ich ein Anführer, der die Menschen dazu bringt, sich ihrer Not zu erwehren. Im zweiten gibts ein Mädchen, mit dem ich schäkern will. Es kommt nicht dazu. Eine Weile seh ich nur sein liebliches Gesicht. Wie unter einem bösen Zauber löst sich das Bild auf, es rutscht weg. Nur, es klingt absurd, ich habe dieses Mädchen vorhin gesehn, in einer Frauengruppe stehend, im erhöhten Eingang einer Moschee. Es hat mir zugelächelt. Die Frauen bei ihr knufften es in die Seite, als wollten sie sagen: Da, da ist er.

Es sind 3 Reisebücher, die mich begeisterten, die mir jetzt einfallen. Das Pyrenäen-Buch von Tucholsky, das Reisetagebuch (Tunis) von Klee und Millers Griechenlandbuch Der Koloß von Maroussi.

Gern würd ich ein Schiff nach Indien auftreiben. Ins Flugzeug möchte ich nicht, das geht mir zu schnell. Von Kuwait und Abadan, heißt es in meinem Reiseführer, gingen Schiffe nach Indien. Was darin steht, stimmt hinten und vorne nicht.

Wenn es einen Tropenkoller gibt, gibt es sicherlich auch einen Orientkoller.


Auf dem Wandrelief der Vakil Moschee: Ein blühendes Herz, das seine
Sehnsucht singt (so jedenfalls hab ichs mir zurechtgesponnen).

Ein solches Heft als Zwiesprache mit meinem tieferen Selbst. Ich bin weiter weg von zuhause, als ich je war. Wo ist mein Zuhause?

Gestern abend sah ich einen kleinen Laden mit altem Kram, ein Geschäftchen nach meinem Geschmack. Heute früh bin ich als erstes dorthin, noch bevor ich gefrühstückt hatte. Ein mürrischer Mann um die Fünfzig, er rührt keinen Finger, mir etwas zu zeigen. Die Dinge lagen in Haufen durcheinander, dicker Staub auf allem. Der kleine Raum war übervoll, ich konnte an nichts dran, schwierig schon, hinzuzeigen. Der Mann nickte, wenn ich auf etwas deutete. Eine Halskette, unter all dem anderen, zog mich an. Nach einigem Hinundher hatte ich sie in der Hand. Der Mann sagte: Tuhandred thoman fifti. Ich verstand zweihundertfünfzig, hielt ihm 250 Rials hin. Er schüttelte verächtlich den Kopf, tuhandredfifti thoman, und damit ich ihn verstehe, zeigte er mir, wohin der Weg ging. Er warf ein ganzes Geldscheinbündel auf den Tisch, Tausender, Fünfhunderter. Ich begriff: 2500 Rials.

Ich ging geschlagen weg. Zur Bank. Ich wollte die Kette haben. Ich hab sie. Der Verkäufer ließ nicht mit sich handeln. Die Kette ist eine Traumkette, 93 Steine, alte, getragene, runde, vielkantig geschliffne, trübe, milchige, glatte, rauhe Steine. Erdfarbene, grüne, honigfarbne, gemaserte. Nie hab ich eine schönere gesehn, sie hat die Ausstrahlung von etwas Gewachsenem. Die Steine haben zueinander gefunden, über Jahre, es sind nicht zwei ganz gleiche darunter.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert