Morgenlandreise 3

Hamam, das Bad der Männer, das Frauenbad, Hamami genannt, befindet sich, meist etwas kleiner, daneben.

Das erstemal in ein Hamam kam ich 1962. Damals bestieg ich mit meinem Freund Maik Brandenburg einen Zug in München, der voller Türken war, die in Deutschland als Fremdarbeiter (so hießen sie damals noch in Behördensprache) ihr Geld verdienten, und nun zurückfuhren zu ihren Familien in der Türkei. Maik und ich wollten uns vor allem in Istanbul und an der türkischen Mittelmeerküste umsehn.  Es sollte diesmal eine Reise in den Orient sein, wenn auch nur in den vorderen.

In diesem Heimfahrerzug saßen wir neben einem jungen Türken, dessen Ziel Istanbul war. Nichts Besseres konnte uns widerfahren, in Yilmaz* hatten wir den perfekten Fremdenführer für einen unüberschaubaren Stadtdschungel.


Hamam in Istanbul (wikipedia 2007)

Später war ich noch in dem einen oder andern Hamam, aber nie mehr ging es so großartig zeremoniell und abenteuerlich zu wie in Yilmaz’ Begleitung.

Als erstes kriegten wir ein riesiges flauschiges angewärmtes Handtuch, um damit unsre Blöße zu bedecken. Man schlingt es um sich wie eine römische Tunika. Bald landete ich auf einem Schwitztisch aus Marmor in Kniehöhe, auf dem Bauch liegend. (Die andern beiden hatte ich nicht mehr im Blick.) Einer der Masseure, wie sie im halben Dutzend herumschreiten, sich ihre Opfer auszusuchen, stellte sich ohne Zögern auf meinen Hintern, griff nach meinen Armen, bog sie herum in alle Richtungen. Er gab Obacht, mich nicht auseinanderzureißen. Durch die Wärme, durchs Schwitzen, durch die Hingabe ans Unvermeidliche gerätst du nach und nach in einen Zustand höherer Wonne der Körperlichkeit.

Dann walkte er meinen Rücken, meinen Hals, meine Beine, ja, und die Pobacken. Er hockte sich neben mich, um meine Finger einzeln, die Zehen, die Fußsohlen, die Fersen zu bearbeiten. Zu zwirbeln, zu strecken, zu stauchen. Es fehlt an Sprache für all das, was diese herkulischen Burschen mit einem anstellen. Ganz sittsam. Die Türken, die Orientalen insgesamt, verstehen es offenbar, durchs Rückgrat hindurch den Bauchnabel zu massieren.

Was folgte? Die Hauptsache. Unter der himmelhohen Kuppel hat der Raum seitlich in farbigstem Marmelstein gekleidet kleine wabige Nischen. Darin, rechts und links der Sitzbank für den Badenden, fließt ein heißer und ein kalter Wasserstrahl. Bevor du in ihren Genuß kommst, wirst du eingeseift. Der Einseifer kommt mit einem roßschwänzigen Ungetüm, schwenkt es in einem Holzkübel voller Seifenschaum, traktiert dich von oben bis unten damit. An dir ist es, diesen Schaum mal rechts mit heißem Wasser, mal links mit kaltem Wasser abzuspülen. Inzwischen schwebst du auf einer Wolke aus Tausend und einer Nacht.

Der krönende Abschluß geschieht in einem Trakt etwas abseits. Holzverkleidete Kabinen in zwei Stockwerken, hübsch eingerichtet, umschließen einen Hof. Wir sitzen, wieder zu Dritt, in einem dieser separees in neuen vorgewärmten Tunikas (dreimal gabs neue Handtücher): Yilmaz, Maik und ich, strahlen uns an wie Neugeborne. In den Innenhof schauen wir von oben herab in Palmwedel und Fliederbüsche. Ein emsiges Büblein bringt uns eine Runde Kawe und ein Schachbrett. Damals spielte ich leidenschaftlich Schach, wenn auch selten als Gewinner.


*Da wir uns angefreundet hatten, erfuhren wir von seinem Arbeiten und Wohnen in München. Sobald Maik, (der in München studierte, was? Maschinenbau?) und ich von unsrer Reise zurückwaren, besuchten wir Yilmaz. Die Fremdarbeiter, Türken, Italiener, Jugoslawen, hausten im münchner Norden in eilig errichteten Baracken, auf einem Grundstück, das hoch eingezäunt war. Die deutsche Lagerleitung überwachte die Arbeiter, damit sie keine Frauen ins Lager einschmuggelten. Über uns deutsche Besucher wunderte sie sich bloß. Wir verbrachten manch sauffreudigen Abend zwischen den Lagerinsassen mit Sliwowitz und Raki. Manchmal kochten die Sizilianer Spaghetti mit vielerlei Drumherums.

Es kam sogar dazu, daß Yilmaz später mit uns Fasching feierte. Damals hatte unsre Begegnung mit Fremden etwas kindlich Ungezwungenes. Kaum daß wir uns brockenweise verständigen konnten, es überwog einfach menschliche Nähe. Wo ist die hingekommen heutigentags?

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