Morgenlandreise 15

Anderntags, nachdem ich erfahren hatte, es gebe keine Grenzstation, außer (vermutlich?) bei Basra, fuhr ich in einem Taxi zur deutschen Botschaft. Sie liegt in einem parkähnlichen Grundstück, davor gibt es einen Platz mit Bänken, wenn es noch so ist, wie ich es damals antraf. Im Zickzack lief ich um die Bänke herum, setzte mich für eine Weile, lief dann wieder eine Strecke, dann endlich auf die Botschaft zu. Kein Mensch weit und breit, ich kam mir vor wie in einem Einmannstück. Schließlich faßte ich mir ein Herz und klingelte an einem großen schmiedeeisernen Tor. Ein Männlein (irakischer Hausmeister?) kam dahergeschlurft und fragte mich durch die Stäbe, was ich wolle. Ich möchte den Botschafter sprechen, antwortete ich, und dachte bei mir, bloß nichts Subalternes. Der sei nicht da, und heute sei gar niemand zu sprechen, nobody, sorry. Damit ließ er mich wieder allein vor verschlossenem Tor. Ich nahm es wie einen schicksalshaften Wink, denn mir war bewußt, wenn ich mich einmal in der Botschaft erklärt hätte, wäre meine Reise beendet gewesen.

In der Nacht war ein Plan in mir gereift: Entweder ich begebe mich in die Obhut der deutschen Botschaft oder muß in den Süden Iraks, nach Basra. Der Kaufmann im Mercedes hatte mir versichert, es gebe außer bei Basra wahrscheinlich keinerlei Grenzübergang in den Iran. Er zeigte mir auf seiner Karte diese Stelle, wo 2 Städte nahe beieinander lagen: Basra im Südosten des Irak und Khorramshar im Westen des Iran. Wenn es einen Grenzübergang gibt, dann dort, dachte ich, und vielleicht, wenn die Weiterreise über Land sich als zu schwierig darstellt, könnte ich am Persischen Golf ein Schiff bekommen, das mich nach Indien bringt. Ich führte nichts Bösartiges im Schilde, konnte jedermann von meiner Arglosigkeit überzeugen und war mir meines guten Sterns bewußt.

Hauptbahnhof in Bagdad, wie er zu meiner Zeit ausgesehen haben mag.
Foto: Wikipedia

Auf dem Vorplatz des Bahnhofs trat ein älterer Herr auf mich zu, er sagte höflich, er sei für die Sicherheit von Ausländern zuständig, womit er mir dienen könne. Ich möchte nach Basra, sagte ich ebenso höflich. Wir benahmen uns wie zwei gentlemen zueinander. O gewiß, dabei könne er mir helfen, ob er einmal meinen Paß sehen könne. O gewiß, sagte ich und reichte ihn ihm. Er prüfte ihn mit aller Umständlichkeit und fand nichts Verdächtiges. Wie erwähnt, ich hatte nur ein afghanisches Visum, in schönen arabischen Lettern ausgeführt. Inzwischen nahm ich an, die meisten Iraker könnten weder lesen noch schreiben, sie sind schlicht Analphabeten, und so hielten sie mein afghanisches Visum für ein irakisches. Ein Ausländer ohne ein solches, das wußten sie, wäre sofort aus dem Verkehr gezogen worden. Ein Fremder, der vor dem Hauptbahnhof in Bagdad erklärt, er wolle nach Basra fahren, ohne ein irakisches Visum im Paß, war schlechterdings nicht vorstellbar. Mein afghanisches Visum mußte ein irakisches sein, alles andre war zu ungeheuerlich, zumal in meinem Aufzug, mit Stiefeln und olivgrünem Seesack. Der Mann besorgte mir eine Fahrkarte nach Basra. Er hatte sich seinen Bakschisch verdient, wir trennten uns wie alte Bekannte.

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