Möchtegern-Star

Möchtegern-Star „zweifelt an sich selbst“ wegen „falschem“ Förderer Harald Schmidt. Deutschland auf Abwegen: Auf dem Weg in den Kultur-Stalinismus.

 Von Boris Reitschuster

Selbst in Meinungsdiktaturen kann man in vorauseilendem Gehorsam den Plan an Diffamierung und Ausgrenzung von Andersdenkenden übererfüllen – oder sich zurückhalten. Der große russische Schriftsteller Wladimir Wojnowitsch beschrieb etwa, wie selbst zu schlimmsten Zeiten unter Stalin Menschen in überfüllten Massen-Schlafsälen über den Diktator schimpften – und ihnen nichts geschah, weil sich kein Denunziant fand. Die Betroffenen hatten wohl Glück, dass die Mentalität vieler einfacher Russen damals eine andere war als die von vielen Menschen, die heute im polit-medialen Komplex und im gleichgetakteten Kulturbetrieb das Sagen haben.

Die Stalin-Zeit ist bekannt für die Exzesse der Selbst-Beschuldigungen, die oft einhergingen mit einer vermeintlichen Kontaktschuld. Genau daran musste ich denken, als ich gerade einen Artikel darüber las, wie ein gewisser Klaas Heufer-Umlauf sich in einer Manier, die an die Stalin-Zeit erinnert, echauffierte über seinen früheren Förderer Harald Schmidt. Ebenso erschütternd wie die Exzesse des Moderators ist die Tatsache, dass die „Bunte“ und der „Focus“ sie der Berichterstattung wert finden – und sie offenbar auch gutheißen (siehe hier). Ich hätte sie als Verwirrungen eines Einzelnen ignoriert – wenn sie nicht so typisch wären für die Abwege unserer Gesellschaft.

Klaas „zweifelt an sich selbst“ – lautet eine der Überschriften in dem Beitrag, der in beiden Burda-Blättern zugleich erschienen ist. Der Grund für die Selbstzweifel des Moderators: Dass er Harald Schmidt einmal bewunderte – obwohl dieser Mensch jetzt ein unglaubliches Verbrechen begangen hat. Zumindest in den Augen von Heufer-Umlauf. Das Verbrechen: Er war auf dem Sommerfest der Schweizer Weltwoche. Ich übrigens auch. Auch ich habe dort Harald Schmidt gesehen – mir allerdings verkniffen, irgendwelche Fotos zu machen oder gar Selfies mit anderen Besuchern. Wie das ein Ex-Spiegel-Redakteur tat, der heute in Ungnade gefallen ist im Mainstream. Und sein Selfie mit Schmidt und Hans-Georg Maaßen sorgte für einen Aufregungs-Sturm in den Medien. Kontaktschuld wie zu finstersten Zeiten.

Diese Kontaktschuld war nun auch Auslöser für die Selbstbezichtigungen von Heufer-Umlauf. „Klare Worte fand Moderator Klaas Heufer-Umlauf zu seinem einstigen Förderer Schmidt“, schreibt die „Bunte“ ebenso wohlwollend wie irreführend, und zitiert dann den Kommentar des Moderators zu dem Foto: „Da bleibt nicht mehr viel Humor über bei so einem Bild. Dass der da freiwillig zu Hause losfährt, dahin geht, genau wissend, wer da alles ist und sich da freut auf einen herrlichen Abend mit guten Gesprächen mit Hans-Georg Maaßen und anderen Aussortierten“, sagte er im Podcast „Apokalypse & Filterkaffee“ von Micky Beisenherz.

Der Anwalt Joachim Steinhöfel kommentierte das auf „X“ wie folgt: „Wenn der Moderator Heufer-Umlauf über Harald Schmidt spricht, verfällt er in den Jargon des Nationalsozialismus. Er spricht von der Party mit Schmidt ‘und anderen Aussortierten.‘ Das klingt wie Selektion, und so ist es auch gemeint.“

Heufer-Umlauf, der gleich vier Mal den oft für die richtige „Haltung“ vergebenen Grimme-Preis erhielt, hat seine Karriere Schmidt zu verdanken. Zwischen 2011 und 2013 war er Außenreporter für „Die Harald Schmidt Show“. Später bekam er auf Pro Sieben eigene Sendungen. „Man zweifelt an sich selbst, dass man mal eine Art Bewunderung hatte“, sagt er jetzt über Harald Schmidt.

Weiter erklärte der Moderator zu dem Sommerfest: „Das sind wahrscheinlich die Einzigen, die sich noch für die kultigen Kultinterviews interessieren. Er adelt da den ganzen Laden, in dem er dort wahrscheinlich der Einäugige unter den Blinden ist.“ Dass er überhaupt die Geduld mit sich selbst habe, „lässt tief blicken“.

Der Moderator setzt noch eins drauf: „Zu sagen: Ich nehme mir jetzt den ganzen Tag Zeit dafür. Dieses Bild: Zuhause loszugehen und sich die Schuhe anzuziehen, das ist eigentlich das Kurioseste an dem ganzen Ding. Dass man sagt: ‚Da kann ich nicht, da habe ich diese Veranstaltung‘. Und dann geht man los, zieht sich eine Jacke an und kauft sich ein Getränk am Hauptbahnhof, weil man weiß, da fährt man jetzt hin. Das ist das viel größere Psychogramm.“

Allein schon die maximale Aufregung um den Fakt, dass ein Fernsehstar auf einem Selfie mit Andersdenkenden zu sehen ist, zeigt, wie weit weg wir uns von einer freiheitlichen Demokratie in Richtung Gesinnungsstaat entwickelt haben. Die Ausfälle eines Heufer-Umlauf machen aber deutlich, dass es noch schlimmer ist: Ich würde hier sogar so weit gehen, von Ansätzen eines Kultur-Stalinismus zu sprechen. Ohne jede Gleichsetzung, die sich angesichts des Massenterrors Stalins völlig verbietet. Aber die Ähnlichkeiten in der Denkweise und der Ausgrenzung sind, leider, ähnlich.

Ich selbst habe mich auf dem Sommerfest der Weltwoche übrigens gewundert, warum ein ehemaliger Regierungssprecher, den ich gut kenne, mir jedes Mal stramm aus dem Weg ging, und mit den Augen strikt an mir vorbei schaute, so als erkenne er mich nicht oder als sei ich Luft. Schon an dem Abend war mir klar, warum er das tat. Und fand es ausgesprochen schäbig. Nach dem Skandal um Harald Schmidt kann ich ihn sogar verstehen – hätte jemand zufällig ein Foto geschossen, wenn er mir die Hand gegeben oder gar mit mir geredet hätte, wäre das für ihn möglicherweise existenzbedrohend geworden. Ein Handschlag oder ein Selfie mit dem Falschen kann zur Hyperventilation des polit-medialen Komplexes führen (was Til Schweiger nach seinem Selfie mit mir schmerzhaft erfahren musste, siehe hier und hier).

Den Namen des früheren Regierungssprechers werde ich für mich behalten. So schäbig ich sein Verhalten finde – so wenig will ich irgendjemand dieser Meute von rot-grünen Kulturkriegern zum Fraß vorwerfen.

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