Marlene Streeruwitz

In einer Anzeige in einer Zeitung sprangen mich zwei Zeilen an:

Marlene Streeruwitz: Ich kritisiere nicht,
ich lehne ab.

Bei nächster Gelegenheit bin ich in meine Bibliothek, keine 3 Minuten von meiner Wohnung weg, und hab mir ihren Roman Entfernung ausgeliehen. Nun verbringe ich seit einer Woche für Stunden ein großartiges Leseerlebnis mit diesem Buch.

Marlene Streeruwitz

© Rolf Hannes

Was sollte ich tun. Das ist der erste Satz, und er hat kein Fragezeichen, was üblich wäre in der deutschen Grammatik. Bald merkte ich, keine der vielen Fragen, die sich Streeruwitz fragt und ihre Selma, die Frau in der Geschichte, und mit ihr ich, der Leser, hat ein Fragezeichen. Warum wohl.

Das ganze Buch ist Frage. Zeichen.

Selmas Abenteuer ereignet sich in London. Es ereignet sich in Sprache. In so kurzen Sätzen, wie ich sie in dieser Meisterschaft nie für möglich gehalten hätte, weil ich nie den Mut hätte, so radikal mit Sprache umzugehn. So genial mit Sprache umzugehn. 1 Wort Punkt 1 Wort Punkt

Ein Sätzchen, das seine Sprengkraft bekommt aus seiner Winzigkeit, seiner grammatischen Winzigkeit, eine Sprengladung literarischer Wucht.

Daß man mit einem so kleinen Kind. Vorsichtig. Vorsichtiger umgehen mußte. Daß man es nicht so herumreißen. Selma ging.

Ein Sätzchen, das das entscheidende Wort am Ende nicht sagt, weil es längst gesagt ist. Und nie ein ?

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert