Mit einem Ruck fuhr Lisa aus dem Schlaf hoch. Sie lauschte in die Stille, und obwohl sie nicht hätte sagen können, was sie geweckt hatte, brach ihr plötzlich der Schweiß aus.
„ Lisa?“ Die Stimme ließ sie herumfahren. Im Dämmerlicht, das durch die halb heruntergelassenen Jalousien fiel, erkannte Lisa einen Mann in der Ecke ihres Schlafimmers. „Johannes!“, entfuhr es ihr. „Was machst du hier?“
Der Mann, übrigens war es nicht Johannes, er sah nichtmal wie Johannes aus, sagte mit leiser (oder war es nur eine verstellte?) Stimme: „Zum einen, es ist mein Zimmer, du mußt es verwechselt haben. Die Nummer 18 ist mein Zimmer, deins hat die Nummer 17, soviel ich mitgekriegt habe. Aber da du dich nun einmal auf meinem Bett ausgestreckt hast, können wir uns ja ein wenig über Literatur unterhalten. „Literatur, Literatur, von morgens bis abends Literatur. Hier dreht sich alles um Literatur. Hast du nichts andres auf Lager?“ sagte Lisa sehr ärgerlich.
„Wenn du gestattest, setz ich mich erstmal hierher. Es ist immerhin mein Zimmer. Johannes, wenn du diesen kleinen Lackaffen meinst, wohnt einen Stock tiefer. Was willst du, kommst zu einem Literaturseminar und wunderst dich über Literatur? Ich wundre mich, dich hier anzutreffen.“
Lisa drehte sich weg zur Wand. Spielte sie die Verwirrte? Die Zerstreute? Die Ganzundgarkonfuse? Sie war liegen geblieben auf dem Bett, das ihr nicht gehörte, hatte nur die Knie angezogen, wie es Kinder machen, wenn sie sich taub stellen oder nicht wissen, wie es weitergeht.
Also, was haben wir heute gelernt? sagte der Mann, der kaum, auch nicht im Dämmerlicht mit Johannes verwechselt werden konnte. Wir haben gelernt, daß man auch ohne Gänsefüßchen auskommt.
Was haben wir weiter gelernt? Niemand fährt mehr mit einem Ruck aus dem Schlaf hoch, schon gar nicht, wenn er nicht weiß, was ihn geweckt hat. Und spar dir den Schweiß, der plötzlich ausbricht, für den nächsten Krimi auf. Und dazu kommen wir erst nächste Woche.
Lisa rührte sich nicht. Sie hörte gar nicht auf das, was dieser Mann, der wohl nicht Johannes sein konnte, alles so verzapfte. Was wußte er schon von einer Frau, die einsam aus dem Schlaf hochschreckt? Sich in ihrem Schlafzimmer wähnt, in die Stille horcht, einen Mann in der Ecke sieht, da soll ihr nicht der Schweiß ausbrechen?
Also, wie haben wirs jetzt? fragte der Mann. Ich möchte nicht weiter auf diesem dummen Stuhl hocken. Was hältst du von meinem Vorschlag: Du ruhst dich weiter auf meinem Bett aus, derweil lege ich mich auf dein Bett in Zimmer 17.
Der Mann stand auf, ging langsam auf die Tür zu, blieb stehn und sagte: Laß dir Zeit, bis zum Abendessen sind noch 2 Stunden. Wenn es dich interessiert, ich heiße Boris.
Boris lag nun auf Lisas Bett in Zimmer 17, Lisa auf Boris´ Bett in Zimmer 18. Vorher hatte er die Jalousien halb heruntergelassen. Literatur, wenn man sie büffelt, macht schläfrig. Wie gleich diese Zimmer aussehn, dachte Boris, die Betten, die Stühle, sogar die gleiche Federwelt* liegt neben dem Bett, wie bei mir. Und die Bilder, diese hübschen Landschaften, hängen viel zu hoch wie in allen Hotels. Eigentlich könnten wirs bei dem Zimmertausch lassen. Über diesen unnützen Gedanken schlief Boris ein.
Boris fuhr gelaaen aus dem Schlaf hoch. Er lauschte in die Stille, und obwohl er nicht hätte sagen können, was ihn geweckt hatte, brach ihm kein Schweiß aus. Boris? Die Stimme kam ihm vertraut vor. Im Dämmerlicht, das durch die halb heruntergelassenen Jalousien fiel, erkannte Boris eine Frau in der Ecke seines Schlafzimmers. Lisa? sagte er, is noch was?
Die Frau, übrigens war es nicht Lisa, sie sah nichtmal wie Lisa aus, sagte mit leiser (oder war es ihre verstellte?) Stimme: Oh Verzeihung, ich habe mich wohl in der Tür geirrt.
Das macht nichts, rief Boris, ich war etwas verwirrt. Ich dachte, ich bin bei mir zuhause im Schlafzimmer. Du heißt Barbara, nicht wahr? Lisa ist nebenan, wir haben die Zimmer getauscht.
Beim Abendessen saßen die drei beisammen, Lisa, Boris und Barbara. Und sie scherzten und überlegten, was alles sie hätten aus diesen Vertauschungen machen können, literarisch, versteht sich. Macht nichts, wir sind ja noch einige Tage beisammen, sagte Barbara.
*Federwelt heißt eine Zeitschrift für Literaturliebhaber. Hab mich mal über die Herausgeberin sehr berechtigt sehr geärgert. Und vorstehenden Text geschrieben, um wiederum sie zu ärgern. Aber er war verschwendet an sie, sie hat ihn nicht kapiert.
Also erfreu ich die Leser der futura99 jetzt damit. Übtrigens, fällt mir nebenbei ein: dieser Scherz wäre auch 1:1 auf Politiker zu übertragen.