Nun folgt – meine Liebeserklärung an die Ostfriesen. Sie müssen gemeinhin herhalten für die plattesten Scherze. Spiegelt sich in ihnen folgende Theorie? Die besagt: Menschen versuchen ihre Schwächen, um nicht zu sagen, ihre Minderwertigkeit, auf andere zu projezieren, um sich so freizufühlen von ihrer.
Wer sich in Ostfriesland umsieht, trifft auf liebenswürdige Menschen von schneller Auffassung, klar im Kopf und frei vor jeglicher Abgehobenheit, nichtmal stutzigen Besuchern gegenüber. Die klare Luft, die weite der See, der unverstellte Horizont, sie formen und füllen Seele und Herz der Friesen auf glückliche Weise.
Sie trinken dreimal mehr Tee als alle anderen Menschen weltweit und siebenmal mehr als die Deutschen insgesamt, und sie trinken viel viel weniger Bier als die übrigen Deutschen. Das ist bereits Grund genug für einige biertrinkende Flachköpfe, gegen sie zu sticheln. (Das sage ich, der ich gerne Bier trinke, und dort an der Nordsee war mein Favorit das in Ostfriesland gebraute Jever)
Die Ostfriesen trinken nicht nur Tee, sie zelebrieren ihn. Dabeizusein, wenn sie den Tee zubereiten, wenn sie die wunderschönen Teekannen mit heißem Wasser ausschwenken, im Stövchen die Kerze entzünden, den Tee in die vorgewärmte Kanne streuen, das kochende Wasser draufkippen, das Teesiebchen bereithalten, damit die Teeblättchen nicht in das rosenblattdünne Täßchen geraten, durch deren Wandung die Helligkeit und Farbigkeit der Umgebung scheint, dann mit einem zierlichen Löffelchen (eigens dafür hergestellt) einen Tropfen besondere Sahne, wohlgemerkt nur ein Tröpfchen, in die Tasse tropfen, in die natürlich, das hätte ich beinahe vergessen, bevor der Tee hineingegossen wird, ein Kluntjes (das ist weißer oder brauner Kandis) gelegt wurde, der dann vor sich hin zirpt wie eine kleine Grillenjungfer, wenn der heiße Tee kommt, das alles ist von bezaubernder Anmut, die ich in keinem anderen Landstrich Deutschlands angetroffen habe.
Muß ich die Lieblichkeit des Tees auf der Zunge beschreiben, muß ich versichern, nie habe ich genußvoller Tee getrunken, auch in Indien und England nicht? Darf ich schwärmen vom gemächlichen Trinken des köstlichen Tees, bis einem der Gedanke an ein anderes Getränk völlig abhanden kommt? Einmal sagte mir ein Freund, weißt du, wir Südtiroler sind ja nicht freiwillig nach Italien geraten, muß aber jetzt zugeben, der italienische Kaffee wiegt das auf. Ähnlich könnte es mir mit Ostfriesland gehen. Ein Land, in dem mit soviel Grazie und Kunstfertigkeit Tee getrunken wird, könnte mein Lieblingsland sein.