Collage: Marianne Mairhofer
Wir haben nichts gelernt aus der Geschichte, hört man mancherorts. Stimmt das? Wer ist wir? Und was hätte es zu lernen gegeben? Wir dürfen genau beobachten und nachspüren. Es mit Wissen aus der Vergangenheit zusammenbringen. Und jeder für sich muss seine Entscheidung treffen. Dabei gibt es kein „wir“.
Ich nehme zwei Beispiele aus der Vergangenheit. Einmal die Verfolgung von Frauen, die als Hexen verbrannt wurden im Mittelalter. Einmal die Verfolgung von jüdischen und behinderten Menschen, die im 2. Weltkrieg systematisch umgebracht wurden. Jeweils wurde von Menschen, die die Wissenschaft für ihre Zwecke missbraucht haben, behauptet, es wäre gerechtfertigt, diese Menschen zu verfolgen und zu ermorden. Historiker können bestimmt noch andere Beispiele ergänzen.
Was sind, völlig unabhängig von den Inhalten, die Gemeinsamkeiten dieser Systeme (der Menschheit)?
Es gab Menschen, die unbedingt und demonstrativ die Macht wollten. Um Macht zu bekommen oder zu erhalten, haben sie andere Menschen kleingemacht, verachtet, gequält, ermordet, bzw. all das angeordnet. Es gab Menschen, die dazugehören wollten und daher diese Mächtigen aktiv unterstützten, indem sie „wissenschaftliche“ Theorien aufgestellt haben, die dem System massiv geholfen haben, Anweisungen ausgeführt und/oder Mitmenschen angezeigt und verraten haben. Andere haben sich aus Angst unsichtbar gemacht und stillschweigend zugestimmt.
Und es gab Menschen, die sich aktiv gegen das System gestellt haben. Wissenschaftler, Menschen, die klar gestellt haben, das Verbreitete ist Unsinn. Menschen, die sich für die Verfolgten eingesetzt und diese geschützt haben. In aller Stille und/oder öffentlich. Menschen, die gesagt haben, sie erkennen das Unrecht und unterstützen es nicht. Oft so lange, bis sie selbst ausgegrenzt, verfolgt und ermordet wurden.
Ich bin mittlerweile überzeugt, diese Systeme und damit alle menschlichen Anteile gibt es bereits seit Anbeginn und auch in tausend Jahren noch. Hätte mir das als Kind schon jemand gesagt. Unsere Generation wurde eingelullt, wir hätten doch aus der Vergangenheit gelernt (dabei reichte das Denken nie weiter zurück als bis zum 2. Weltkrieg) und das könne sich nicht nochmal wiederholen. Einzelne haben daran nie gezweifelt, dass es jederzeit wieder passieren kann, z.B. Morton Rhue in „The wave“ (die Welle, 1981).
Ich bin jetzt dankbar, mein Leben seit Anbeginn und seit 10 Jahren ganz konkret und verständlich auf den Ablauf dieser Systeme, auf die verschiedenen Plätze auf denen Menschen stehen können, vorbereitet zu haben.
Wir müssen verstehen, diese Abläufe in ihrer Gesamtheit sind nicht zu verhindern. Wir dürfen für uns verstehen, warum wir an welchem Platz stehen. Wissend, jeder Platz wird und muss immer besetzt sein. Jede Rolle und jeder Platz hängt mit den anderen zusammen. Wissend, dass all diese Systeme, in ihrer Deutlichkeit, in der Vergangenheit zwar wieder zu Ende gegangen – jedoch nach ein paar Jahrzehnten oder Jahrhunderten wiederauferstanden sind.
Wir dürfen nun unseren Kindern, Enkelkindern, Urenkeln vermitteln, die Gegenwart, aus der Perspektive der Menschheitsgeschichte, ist nicht besonders. Wir müssen nicht überrascht sein, dass es wieder Menschen gibt, die um jeden Preis die Macht haben möchten. Was dazu führt, dass andere klein gemacht, ausgegrenzt und unter Druck gesetzt werden. Dass es wieder Menschen gibt, die das aktiv unterstützen und mittragen. Und Menschen, die aus Angst stillschweigend mitmachen. Und auch Menschen, die sich aktiv (in Stille und/oder öffentlich) dagegenstellen.
Und wir dürfen ihnen sagen, jeder Mensch hat immer die Möglichkeit zu wählen, an welchen Platz er sich stellt. Das war in der Vergangenheit, ist jetzt so und wird in Zukunft so sein.
Um den passenden Platz für uns zu finden, ist es gut in uns hineinzuhören und zu -fühlen. In Frieden mit uns können wir sein, wenn wir weder aus Angst, noch aus Neid, Wut oder Rache handeln, sondern aus Mitgefühl und Liebe mit uns selbst und den anderen.
Und was sollen wir nun gelernt haben? Das versteckt aggressiv nicht besser ist. Es ist subtiler und damit auch schwerer erkennbar. Aggression bleibt Aggression – egal, wie versteckt sie ist.