Und wenn es im Sommer regnete, saß ich stundenlang vor dem gekippten Fenster in meinem Zimmer und beobachtete zwei Regentropfen auf ihrem rasanten Weg die Scheibe hinab. Das Einzige, was mir dann durch meinen Kopf ging, war, welcher Regentropfen von beiden schneller unten ankommt und… dass der Sommerregen irgendwie nach Schwerelosigkeit riecht. Die Phantasie reichte zum Glück, meine größten Sorgen waren damals nur, genug Zuckerwatte zu bekommen und vielleicht doch noch fliegen zu können.
Zeichnung: Rolf Hannes
Und dann waren die nächsten drei Sommer kalt und verregnet. Es regnete auch, als meine Eltern mit mir vom Dorf weg in die Stadt zogen und ich vom Baumhaus Abschied nehmen musste. Es regnete auch, als mir im Unterricht später erklärt wurde, Wolken bestünden nicht aus Zuckerwatte und…
Heute weiß ich, der Wind wird nicht von den Bäumen gemacht. Heute esse ich auch Äpfel immer komplett mit ihrem Gehäuse, weil noch nie ein Baum aus meinem Bauch gewachsen ist. Heute habe ich einfach besseres zu tun, als die Regentropfen am Fenster zu beobachten und erlebe noch kleine Alltagsabenteuer, aber wenn es im Sommer regnet, oder wenn ich nach langer Zeit erneut vom Fliegen geträumt habe, dann erinnere ich mich daran, wie es früher so war. Dann habe ich den Geruch der Schwerelosigkeit in der Nase und denke an meinen Baumhaustraum, der irgendwo auf dem matschigen Feldweg hinterm Haus liegen geblieben ist. Die kleine Abenteurerin von damals wäre unglaublich enttäuscht, wenn sie wüsste, wie feige Erwachsene manchmal sein können. Im stillen sage ich ihr, sie muss ihre traumwandlerische Naivität irgendwie vor der Außenwelt schützen und erwachsen zu sein sehr viel anstrengender ist, als sie denkt.
Ende
Das Rascheln der Blätter aber, das gibt es nur wenn der Wind über die Bäume streift. Es gehört alles zusammen, der Wind, der Baum, sich an die Kindheit erinnern und als Erwachsene mutig sein. Lassen wir die Kindheitsträume über unser Leben streifen, das Rascheln unserer Seele soll unsere Parole sein.