Von Boris Reitschuster
Nach KBV-Horrorzahlen: Nebelbomben in der Welt: „Es können ganz sicher keine Impfnebenwirkungen sein.“
Schon die Überschrift ist Betrug: „Die falschen Horrorzahlen der AfD“ titelt die „Welt“ in einem Beitrag über eine Analyse der Zahlen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), über die wir hier auf meiner Seite ausführlich berichtet haben. Dabei ging es eben nicht um Zahlen der AfD, sondern der KBV. Und analysiert hat die Zahlen auch nicht die AfD, sondern der Datenanalyst Tom Lausen. Der legt auf seine Distanz zu der Partei großen Wert – auch wenn er seine Daten auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem AfD-Bundestagsabgeordneten Martin Sichert vorstellte. Was dahingehend Sinn macht, da dieser die Daten bei der KBV angefordert hat.
Was die „Welt“ hier betreibt, ist also schon in der Überschrift Bauernfängerei. Die besonders schwer wiegt, weil der Artikel hinter einer Bezahlschranke steckt und die meisten potentiellen Leser also nicht die Hintergründe erfahren. Denn wer zwischen den Zeilen lesen kann, wird sich im Text zumindest erschließen können, dass die Überschrift manipulativ ist.
Wie in meinen Augen auch der gesamte Text der „Welt“-Redakteurin Elke Bodderas. Um ganz offen zu sein: Er liest sich für mich so, wie wenn jemand sich da fest vorgenommen oder den Auftrag bekommen hat, die Zahlen der KBV um jeden Preis zu entschärfen – und sich nach Kräften bemüht, aber nur Rohrkrepierer zustande bekommt. Denn er besteht im Wesentlichen aus Nebelkerzen. Entsprechend wütend und entlarvend fallen die Leserkommentare aus. Ich werde hier die Nebelkerzen durchgehen. Mir stoßen sie besonders bitter auf, weil bisher die „Welt“ eines der wenigen großen Medien war, das auch kritisch zum Thema „Corona“ und „Impfungen“ berichtete. Hat da jemand das Muffensausen bekommen?
Auch Welt-Redakteurin Bodderas kommt vor dem Nebelkerzen-Werfen nicht umhin, die Fakten zu benennen: „Tatsächlich zeigt die Analyse einen sprunghaften Anstieg der Sterberate seit dem 1. Quartal 2021 mit vier- bis fünfmal mehr Todesfällen, ‘plötzlich und unerwartet‘. Dabei sind nur die Daten der 72 Millionen gesetzlich Versicherten mit Hausarzt berücksichtigt. Nicht mitgezählt sind Krankenhauspatienten und privat Versicherte.“
Sodann beginnt der „Welt“-Nebelkerzen-Marathon – zunächst ganz harmlos: „In den ersten Schock nach der Pressekonferenz, die in sozialen Netzwerken schon als ‘historisch‘ bezeichnet wird, mischten sich bei Fachleuten jedoch bald Zweifel an der Analyse.“ Klar! Wissenschaft besteht aus Zweifel. Auch wenn uns Medien und Politik in Sachen Klima, Corona etc. seit Jahren das Gegenteil beweisen wollen.
„So kam das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO), das von WELT befragt wurde, zu einem völlig anderen Ergebnis als Sichert und Lausen“, schreibt die „Welt“: „Auf Basis eigener Versichertendaten stellte die AOK fest: ‘Ein Anstieg bei den von Ihnen angefragten Abrechnungscodes aus der ambulanten und stationären Versorgung ist nicht zu erkennen.‘“ Das Gegenteil von dem, was die AfD behaupte, sei der Fall, heißt es gegenüber WELT: „‘Vielmehr ist der Anteil der dokumentierten ICD-Codes R96.0, R96.1, R99 unter allen Verstorbenen rückläufig‘“.
Das ist zunächst mal sehr merkwürdig. Aber auch nicht auszuschließen. Merkwürdig ist insbesondere, dass es viele regionale AOKs gibt – die „Welt“-Redakteurin aber nicht sagt, von welcher AOK die Auskunft stammt und von welchen AOK-Daten. Den bundesweiten? Denen einer regionalen AOK? So ist die Aussage schlicht wertlos.
Weiter schreibt Bodderas: „Auch beim Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland kann man keine sprunghafte Steigerung der Sterberate erkennen: ‘Tatsächlich zeigt die Entwicklung der jährlichen rohen Diagnoseprävalenz keine Auffälligkeiten für die einzelnen von der AfD hervorgehobenen Diagnoseschlüssel‘, sagt Geschäftsführer Dominik Graf von Stillfried.“
Auch hier wieder das Framing – nicht die AfD hat Diagnoseschlüssel hervorgehoben, sondern der Datenanalyst Lausen. Dass das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung genau das Gegenteil von dem sagt, was die Daten der Kassenärztlichen Vereinigung aussagen, ist bemerkenswert. Doch warum fragt Bodderas nicht nach, wie es zu diesem völligen Gegenteil kommen kann? Ohne diese Nachfrage ist die Aussage schlicht merkwürdig. Warum befragt Bodderas nicht Lausen, was er von der Kritik hält?
Weiter schreibt die „Welt“-Redakteurin: „Auch Thomas Mansky, vormals Professor für Qualitätssicherung im Gesundheitswesen an der TU Berlin, bezweifelt die AfD-Daten. Als Folge der Impfungen müsste die Todesrate der Impfkurve folgen, so sein Argument. Stattdessen sprängen sie aber laut AfD abrupt nach oben. ‘Was immer die Zahlen zeigen, es können ganz sicher keine Impfnebenwirkungen sein‘, sagte er WELT. ‘Es ist nicht klar, ob der Fehler bei Missverständnissen bei der KBV-Datenlieferung oder der anschließenden Auswertung durch Herrn Lausen liegt‘.“
Wie bitte? Es handelt sich um vierteljährliche Daten – insofern können sie der Impfkurve gar nicht direkt folgen. Der Schluss, „es können ganz sicher keine Impfnebenwirkungen sein“, wirkt wie das Pfeifen im Wald. So wenig, wie man aus den Zahlen herauslesen kann, dass sie sichere Folgen der Impfungen sind, so wenig kann man das ausschließen. Alles andere zu behaupten ist in meinen Augen Hütchenspielerei.
Sodann wird es besonders krude. Die KBV leistet quasi Abbitte – wie Ketzer im Mittelalter, wenn sie der Blasphemie überführt wurden. Bodderas schreibt: „Auch bei der KBV scheinen inzwischen Zweifel an der Qualität der Daten aufgekommen zu sein. Gegenüber WELT sprach ein führender Forscher aus dem Umfeld des Verbands von einem ‘Kohortenfehler‘, die“ (so steht es im Original, müsste aber wohl „der“ heißen) „zu einem ‘Artefakt‘ geführt habe. Die AfD habe die Daten mit ‘überstürzter Sensationslust‘ falsch interpretiert.“
Kohortenfehler, bei Zahlen, die sich nicht auf Kohorten beziehen, sondern auf alle Versicherten? Ein „Artefakt“, bei einfachen Daten? Mich überzeugt das kein bisschen. Da müsste schon Butter bei die Fische, wie man in Norddeutschland sagt. Aber die Butter kommt nicht. Stattdessen zieht Bodderas aus der ebenso vagen wie brustschwachen Kritik die Schlussfolgerung: „Was genau bei der Analyse schief gelaufen ist, ist unklar. Hat die KBV falsche Daten übermittelt? Oder ist Lausen beim Filtern der Daten ein Fehler unterlaufen? Aus dem Umfeld der KBV lautet die Vermutung, dass bereits der übermittelte Datensatz fehlerhaft sei. Doch warum ist das niemandem aufgefallen?“
Dass Lausen recht haben könnte, das ist für die „Welt“ offenbar ein verbotener Gedanke. Doch es wird noch absurder. Bodderas schreibt: „Anfangs war der Ärzteverband offenbar noch von der Korrektheit seiner Daten überzeugt gewesen. So hatte der Kassenärzte-Chef Andreas Gassen gegenüber WELT die Zahlen so interpretiert, es handle sich bei den sprunghaft gestiegenen Todesfällen ‘größtenteils um eine pandemiebedingte Übersterblichkeit‘. ‘Dies verdeutlicht nochmals die Bedeutung der COVID-19-Schutzimpfung als wirksame Maßnahme zur Verhinderung von schweren Verlaufsformen bis hin zu Todesfällen‘, sagte Gassen. Und: ‘Ohne die Impfung wäre die Übersterblichkeit wahrscheinlich weit höher gewesen‘.“
Geht’s noch? Erst hält man die Daten für korrekt, schreibt sie dann aber Corona zu, statt der Impfung. Weil sich das nicht halten lässt, wird dann die Korrektheit der Daten angezweifelt. Sodann kommt noch etwas Alibi-Kritik daran, es “gebe noch immer keinen brauchbaren Überblick über Impfnebenwirkungen in Deutschland.” Und im letzten Absatz, zu dem sich wohl selbst von den zahlenden Abonnenten der „Welt“ – für andere ist der Artikel nicht abrufbar – nur die wenigsten durchgekämpft haben, kommt dann noch einmal echte Kritik: „Bei der gänzlich neuartigen mRNA-Impfung sei es ein Skandal, eine besonders aufmerksame Beobachtung von Wirkungen und Nebenwirkungen fehle in Deutschland, kritisiert Thomas Voshaar, Chefarzt des Lungenzentrums Moers und Vorsitzender des Verbands Pneumologischer Kliniken, gegenüber WELT. ‘Noch schlimmer und eigentlich von kriminellem Charakter ist das Ignorieren von Daten. Oder sie gar nicht erst regelgerecht zu erheben.‘“
Mein Fazit: Die Überschrift – über die die meisten wegen der Bezahlschranke nicht hinauskommen, führt die Leser gezielt in die Irre. Sodann werden Nebelkerzen geworfen. Um dann am Ende noch etwas Alibi-Kritik zu üben.
Die gute Nachricht: Sehr viele Leser durchschauen die Taktik..