Herrn Dankes Brief an Herrn Jammer


Bild: Marianne Mairhofer

Sehr geehrter Herr Jammer,

entschuldigen Sie bitte, dass ich mich per Brief an Sie wende. Aber ich traue mich nicht, Sie direkt und persönlich von Angesicht zu Angesicht anzusprechen.

Ich nehme auch an, dass Sie mich noch nie auf der Straße wahrgenommen haben, wenn wir uns trafen. Es schien mir, als sähen Sie durch mich hindurch. Und das nehme ich Ihnen auch in keinster Weise übel, das müssen Sie mir glauben.

Ja, ich bewundere Sie auch ein wenig: Wie Sie die Blicke auf sich ziehen, wie Sie schnell Gleichgesinnte finden, wenn Sie sich in der Öffentlichkeit zeigen. Sie finden immer gleich ein interessiertes Publikum, stehen immer gleich im Mittelpunkt. Ja, es stimmt, ich bin etwas neidisch auf Sie, lieber Herr Jammer!

Aber das war es eigentlich nicht, was ich Ihnen mitteilen wollte. Nein, ich habe da ein ganz anderes Anliegen, was in mir drängt, sich Ihnen zu offenbaren.

Wissen Sie, ich leide seit meiner Geburt unter dem berüchtigten Spruch “Nomen est Omen”. Wenn man Dagobert – nein, nicht “Duck”, wie Sie vielleicht denken – sondern “Dank” heißt, Dagobert Dank.

Was denken Sie, wie viele schlechte Scherze man mit mir seit Sandkastenzeiten gemacht hat! “Dank ist krank”, “Dank zieh blank”, “Dank die Bank”, “Dank Gestank”, “Dank der Punk”, um nur einige zu nennen.

Sehen Sie, wenn ich sagte “Ich bin Dank”, dann schauten mich die meisten nur mit großen Augen an. Oder spotteten. Ganz anders als bei Ihnen, Herr Jammer! Ja, den Jammers gehört die Welt, nicht den Danks! Das habe ich schmerzhaft erfahren müssen.

Aber da muss ich beim Schreiben gerade stutzen: Was mache ich denn da gerade? Ja – ja – Jammern! Ich, ein Jammer, nicht ein Dank! Jammer über Jammer, dass ich, Dagobert Dank, nicht so bin wie Sie, ein wahrer Jammer zum Herzerweichen!

Welch ein Gefühl! Wie gut, dass ich Ihnen diesen Brief geschrieben habe. Wie befreiend: auch ein Dank kann ein Jammer sein! Wunderbar, herzlichen Dank, Herr Jammer, dass es Sie gibt. Ohne Sie hätte ich niemals erfahren, zu was ich fähig bin. Welch ein Jammer! Welch ein Dank! Ohne Jammer kein Dank, ohne Dank kein … Ach, vielleicht wäre das doch etwas vermessen.

Aber zum Abschluss – erlauben Sie mir diese kleine Frechheit, bitte, Herr Jammer – möchte ich Ihnen … ja, ich wage es, möchte ich Ihnen das “Du” anbieten, wo wir doch fast Geschwister – oder besser Freunde? – sind.

Ich heiße Dagobert Dank. Schön, dass es Dich gibt, lieber Jonathan Jammer. Ohne Dich wüsste ich nicht, dass es mich gibt.

Herzliche Grüße und mit viel Vorfreude auf unser nächstes Treffen. Jetzt wirst Du mich bestimmt erkennen: Jammer sei Dank!

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