Eine Krankenschwester in Leiharbeit schildert ihre Erfahrungen in Coronazeiten.
Hinweis der Redaktion von Politik Spezial :Wir haben eine uns bekannte junge Frau interviewt, die seit Jahren als Krankenschwester über eine Leiharbeitsfirma quartalsweise in süddeutschen Kliniken eingesetzt wird. Meist ist sie dabei auf Intensivstationen tätig und hat seit Beginn von Corona nicht nur einen hervorragenden Einblick in die Behandlung von Patienten, sie kann auch mehrere Krankenhäuser miteinander vergleichen. Aktuell wird sie in einem großen Klinikum im Großraum München beschäftigt.
Die Entwicklung seit Oktober:
“Im Oktober hat die jüngste Welle angefangen, da hatten wir verhältnismäßig wenige Corona-Patienten. Dann kamen Richtung November sehr viele junge Patienten, auch auf den Intensivstationen, in einigen Fällen aber nur zur Überwachung, falls eventuell Verschlechterungen eintreten. Die waren oft symptomfrei und wurden meist für 14 Tage einfach nur beobachtet. Während dieser Zeit konnten keine weiteren Patienten aufgenommen werden. Dieser Schwall an jüngeren Leuten hat dann im Verlauf nachgelassen, weil da viele junge Leute dabei waren, die nach mehreren Tagen festgestellt haben, sie haben eigentlich gar nichts und sie wurden ziemlich sauer. Da gab es intern auch wirkliche Probleme und Auseinandersetzungen mit Patienten, weil die Patienten sagten: Ich will nachhause, ich habe nichts! Die haben die ganze Behandlung infrage gestellt, da war intern richtig was los. Dann kam eine kurze Flaute, weil wir wieder freie Betten hatten, da waren gefühlt alle Betten zwei Wochen frei. Von den Intensivbetten war in dieser Zeit kein einziges mit Corona belegt. Und dann ging es los, dass die Altenheime abgestrichen wurden. Da kamen wirklich sehr, sehr verstärkt viele Alte in die Krankenhäuser mit der Folge einer komplett vollen Belegung. Da waren viele Menschen über 90 Jahre dabei, die schon wegen ihrer körperlichen Schwäche her stark mit dem Corona-Virus zu kämpfen hatten. Aus wirtschaftlicher Sicht war das sicher für die Pflegeheime lukrativ, Platz zu schaffen und neue Patienten aufzunehmen.“
Wie sieht der Alltag der Krankenpflegerin aus?
“Das beginnt mit der Aufnahme neuer Corona-Patienten, dafür sorgen, dass sie ausreichend Sauerstoff haben. Bei den älteren Patienten ist es oft so, dass sich ihr Zustand relativ schnell verschlechtert. Die RKI-Empfehlung ist ja immer noch eine schnellstmögliche Intubation. Und oft ist es dann so, dass bei den älteren Leuten aufgrund von Altersschwäche Maßnahmen wie eine nicht-invasive Beatmung oder eine simple Therapie nicht ausreichen – wegen der altersbedingten Schwäche. Deswegen folgt in vielen Fällen zügig eine Intubation. Dabei ist es meine Aufgabe, dem jeweiligen Arzt zu assistieren, die Intubation einzuleiten. Intubationen sind in diesen Fällen aber problematisch, weil man viele Schlafmittel braucht, damit der Körper sich entspannt, damit man so einen Schlauch überhaupt in die Lunge einführen kann. Die Leute werden ja sediert und in ein künstliches Koma versetzt. Damit der Körper das toleriert, müssen über 24 Stunden hinweg immer Schlafmittel gegeben werden. Und aus meiner Erfahrung heraus – ich mache das jetzt seit zehn Jahren – schafft so ein älterer Körper es gar nicht, all die Medikamente zu verstoffwechseln.
Das heißt, hier wird der Aufenthalt auf der Intensivstation deutlich verlängert und verzögert. Diese älteren Menschen bleiben dann fünf bis sechs Tage länger als jüngere Patienten. Hinzu kommt die Belastung für den Kreislauf. Da werden dann auch noch Kreislaufmedikamente hinzugegeben. Das verkraften viele einfach nicht. Die kriegen dann Herzprobleme, Kammerflimmern – und sterben. Und dann ist es halt der “Corona-Tod“. So habe ich es tatsächlich nicht selten erlebt.“
Empfehlungen, Anweisungen und Infobretter in den Gängen der Krankenhäuser:
“Ja, an den Wänden hängen immer die Empfehlungen von einschlägigen Instituten und Behörden. Gefühlt hängt da alle paar Wochen eine neue Empfehlung oder eine Vorgabe vom RKI an der Wand. Am Anfang war es die Vermeidung von Aerosolstreuung. Jetzt wird eher empfohlen, Maßnahmen nicht-invasiver Art durchzuführen und Therapien anzuwenden, die noch bis zu Jahresbeginn komplett untersagt waren. Ständig hängen irgendwelche neuen Informationen aus.“
Der Umgang mit den Patienten: “Da gibt es von Klinik zu Klinik ziemliche Unterschiede. Es gibt Ärzte, die sind sehr erfahren, und die wissen aus Erfahrung schon, dass das, was da aktuell empfohlen wird, vielleicht nicht gerade das Beste für die Patienten ist und handeln dann natürlich aus ihrer Erfahrung heraus. Meistens führt das auch zum Überleben des Patienten. Ich habe es aber auch oft genug erlebt, dass die Empfehlungen ganz genau ausgeführt wurden, wie es auf den Anschlagbrettern stand – also wirklich ganz strikt: Nummer eins, Nummer zwei, Nummer drei, und so weiter – und das, was ich wahrgenommen habe, war: Wenn ganz genau ausgeführt wurde, was auf diesen Empfehlungen stand, waren die meisten Todesfälle zu verzeichnen.“
Hauptsache, es wird abgerechnet:
“Aktuell bin ich in einer Klinik tätig, wo potenziell sehr viele Ressourcen für Corona-Patienten geschaffen werden könnten – wir könnten extrem viele Betten freimachen – es ist eine große Intensivstation mit derzeit 14 freien Betten, und belegt sind nur drei. So viel dazu, wie es jetzt gerade aussieht mit Corona. Das kommt daher, dass die Klinik, in der ich gerade arbeite, sehr genau darauf achtet, dass die Patienten auch wirklich Covid-19-Symptome haben, die wirklich respiratorisch schlecht sind, die keine Luft bekommen, denen es wirklich schlecht geht. Da bleiben dann natürlich nicht mehr viele übrig. Aber in den Häusern, wo ich vorher war, da war es so, dass man jeden aufgenommen hat, Hauptsache Corona, um das abrechnen zu können.“
Wie fühlen Sie sich abends, wenn Sie nach so einem Tag nachhause kommen?
“Ich fühle mich veräppelt, den ganzen Tag in ein und derselben Schutzausrüstung rumzulaufen. Es ist wenig Schutzausrüstung da, wir müssen die immer wieder anziehen. Die zieht man dann den ganzen Tag an. Es gibt auch nur eine Maske für den ganzen Tag, obwohl sie gewechselt werden müsste. Und dann muss man natürlich immer darauf achten, dass man, wenn man die Kittel auszieht, nicht an die Außenfläche kommt, da würde man ja alles kontaminieren. Man fühlt sich dabei auch nie sicher: Hat man sich jetzt selbst infiziert, oder nicht? Die Sicherheit seitens des Arbeitgebers ist da nicht gegeben. Und auch da frage ich mich: Was läuft da? Wenn das wirklich so gravierend wäre mit dem Virus, dann würden die Schutzausrüstungen sicher in ausreichender Zahl zur Verfügung gestellt, oder nicht?“
Worüber wird in den Behandlungspausen gesprochen?
“95 Prozent meiner Pflegegruppe, mit denen ich mich unterhalte, die finden alles super, die finden die Maßnahmen genau richtig, damit die Bevölkerung endlich versteht, dass wir was tun müssen. Was ich erlebe, ist eine absolute Impfbereitschaft. Bei mir sind alle geimpft, außer ich selbst. Es sind aber auch einzelne dabei, die das ganze System hinterfragen. Mit denen unterhalte ich mich auch viel. Es ist aber immer ein Unterschied, ob das ein UNI-Krankenhaus ist, ob es ein privates Krankenhaus ist oder ob das ein staatliches Krankenhaus ist. Da sind die Denkweisen komplett unterschiedlich. Bei den staatlichen ist man sehr für die Maßnahmen. Bei den privaten, da ist es eher so, dass man versteht, dass Geld gemacht wird. Die Mitarbeiter verstehen das auch.“
Nebenwirkungen beim Impfen:
“Nebenwirkungen kriege ich sehr, sehr viele mit aktuell. Das geht bis hin zu Fieber und Grippesymptomen. Was ich sehr, sehr häufig höre, also fast zu 100 Prozent, dass der Arm taub ist, dass es kribbelt, dass der Arm anschwillt bis hin zu Taubheitsgefühlen im Finger.“
Was beschäftigt Sie besonders nach all den Erfahrungen?
“Ich würde mir halt mehr Transparenz für die Bevölkerung wünschen, darunter auch: Wie behandeln wir Covid-Patienten? Dann halt auch einheitliche Behandlungen, das wird in jedem Krankenhaus anders gemacht. Und dann natürlich für die Betroffenen selbst: Dass sie wissen: Was wird mit mir gemacht, dass sie mitentscheiden können, ob sie das wollen oder nicht. Ich empfinde das oft so, dass den Patienten eingeredet wird, dass es ihnen schlecht geht und dass so und nicht anders behandelt werden muss – und kein Mensch stellt das jemals in Frage. Es ist ein großes Vertrauen in die Medizin. Aber die Mediziner führen ja auch nur aus, was sie von der Etage oben drüber gesagt bekommen. Also, diese Ausführerei, die stresst mich wirklich, diese nicht reflektierte Ausführung von Anordnungen. Das ist auch der Grund, warum ich langfristig in diesem Beruf nicht bleiben möchte. Ich werde demnächst mein BWL-Studium beenden und würde gerne in ein Kleinunternehmen gehen und dort mitarbeiten. Ich sehe dort mehr Mehrwert, den ich stiften kann und mehr Möglichkeiten, sinnvolle Dinge zu tun als in den zehn Jahren als Krankenschwester.“