Halbes Hakenkreuz

Ein halbes Hakenkreuz zum vollen Tarif: Satire ist nicht mehr statthaft  – aber nur, wenn sie von den “Falschen” kommt.

 Ein Gastbeitrag von Thilo Schneider

Die Ausgangslage: Ein Mitglied der AfD hatte im Juni 2022 auf eine Karikatur geantwortet. Diese Karikatur zeigte eine „Marylin Monroe“ im blauen Kleid mit dem EU-Sternenkreis, das von der berühmten Abluft aus der U-Bahn nach oben geblasen wird. Darunter lugte dann ein roter Schlüpfer mit einem halben Hakenkreuz hervor. Die Aussage des Bildes ist jedenfalls auch für das ungeübte Auge eindeutig: „Unter dem Rock der EU verbirgt sich der Faschismus“ – kann man witzig finden, muss man nicht. Ich finde ja auch „Burnermann“ eher unlustig. Bezahlen muss ich ihn trotzdem.

Der AfDler kommentierte seinen Satz: „Auf den Shitstorm bin ich jetzt gespannt.“

Den hat er bekommen. In Form einer Anzeige. Sein Vergehen: „Das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen“ nach § 86a StGB.

Nun sollte man meinen,  jeder halbwegs gebildete Kriminalbeamte oder auch Staatsanwalt ließe eine derartige Anzeige gähnend in der berühmten Rundablage verschwinden und hätte bestenfalls das Verfahren eingestellt, wenn überhaupt angenommen.

Aber weit gefehlt, wir schreiben schließlich 2023 im besten Deutschland aller Zeiten: Die Angelegenheit ging an das zuständige Amtsgericht, das unseren fröhlichen Zwitscherer (Überraschung!) zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen á 15,- Euro wegen Herzeigen eben jenes bösen Zeichens verurteilte, ihm allerdings die Strafe aus Gutherzigkeit erließ.

Das wiederum wollte sich der Patriot nicht gefallen lassen und ging in die Berufung. Er wollte, verständlicherweise, einen Freispruch. Für die juristischen Laien: Eine Berufung ist etwas anderes als eine Revision. Bei einer Berufung wird der Fall neu aufgerollt, inklusive Beweisaufnahme und allem Zipp und Zapp. Bei einer Revision geht es eben nur um eine rechtliche Revision eines bereits ergangenen Urteils. Ich war bei der Berufungsverhandlung anwesend.

Nach der Feststellung der Personalien und dem Verlesen des Tatvorwurfs wurde der klagende Angeklagte befragt, ob er denn den fraglichen Text, von dem als Beweismittel eine Aufzeichnung  existiert, getätigt hätte. Der elende Angeklagte bejahte diese Frage mit Ja. Dann fragte ihn der Staatsanwalt, warum er denn dieses elende Machwerk zurückgezwitschert hätte. Der durchaus verklagenswerte Angeklagte gab zu Protokoll, er habe damit an einer gesellschaftlichen Diskussion teilnehmen bzw. diese anstoßen wollen. Aha! Ob sich der Angeklagte denn bewusst gewesen sei, sich damit strafbar zu machen nach §86a I StGB? Nein, dessen war sich der Angeklagte nicht bewusst, zumal das Hakenkreuz ja nicht in voller Pracht und Herrlichkeit zu sehen gewesen wäre und er die Karikatur ferner für von der Kunstfreiheit gedeckt gehalten habe. Der beklagenswerte Angeklagte gab außerdem an, mit der Karikatur auf eine bedenkliche politische Entwicklung innerhalb der EU hätte aufmerksam machen zu wollen, er selbst sei im übrigen glühender Antifaschist.

Die Verteidigung argumentierte mit Art 5 I des Grundgesetzes und dem Recht auf freie Meinungsäußerung, auch in provokanter Form, und außerdem sei ja das vermaledeite Kreuz und indische Glückssymbol nur mehr ansatzweise zu sehen gewesen. Außerdem sei kein Schaden entstanden und verhetzt sei ja auch niemand worden. Im übrigen habe sein Mandant seine Antwort gar nicht löschen können, da diese nach kurzer Zeit vom Urheber selbst gelöscht worden wäre und seinem Mandanten damit die Möglichkeit genommen war, selbst Buße zu tun.

Danach wurde der einzige noch lebende Zeuge vernommen: Ein 24-jähriger Kriminalkommissar, der den Fall schließlich zur Staatsanwaltschaft gebracht hatte. Das kam so: Ein anonymer Anzeiger hatte die betreffende Antwort bei der „ZMI“, der „Zentralen Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet“ gemeldet, die daraufhin im Heimatstädtchen des finsteren AfD-Mitglieds Anzeige erstattet hatte. Der eifrige Kriminalkommissar hatte daraufhin versucht, zu recherchieren – aber es gab diese Aufzeichnung  nicht mehr und er fand sie deshalb auch nicht.  Außerdem hatte der faschistische Antifaschist ja sein Verbrechen gestanden.

Schlussplädoyer Staatsanwalt, Schlussplädoyer Verteidiger, vorgetragen mit viel Leidenschaft. Fakt ist und bleibt, auch ein halbes Hakenkreuz ist ein Hakenkreuz, und es ist für den „unvoreingenommenen Betrachter“ nicht möglich , in dem schrecklichen Machwerk die antifaschistische Ansicht des Angeklagten zu erkennen. 30 Minuten Beratung zwischen Richter und Schöffen, danach die armwedelnde Urteilsverkündung:

Der Verbrecher wird unter Berücksichtigung seiner finanziellen Lage und seines bisher unbescholtenen Lebenslaufs zu 50 Tagessätzen zu je 15,- Euro wegen des Verstoßes gegen § 86a StGB (Symbolvorzeigen in aller Öffentlichkeit) verurteilt und trägt außerdem die Kosten des Verfahrens. Die Begründung lautete in etwa so, dass, wenn die Justiz dieses Verbrechen ungeahndet ließe, sich hier ein rechtsfreier Raum eröffnen würde, in dem ja jeder kommen könnte, wenn er wollte, was nicht gewünscht sein könne und nicht im Sinne des Gesetzes sein könne. Und nein – diesmal gibt es auch keinen Straferlass. So. Das hat er davon, der Beklagte. Der Querulant. Der Verbotenessymbolvorzeiger. Die repressive, belehrende Haltung des Gerichts und der Staatsanwaltschaft ließen vermuten,  der Angeklagte habe  eine schwere Straftat begangen, obwohl das Unrecht für die Laien kaum erkennbar war. Es ging um etwas wie es täglich millionenfach vorkommt und  niemand verfolgt wird.

Überflüssig, zu erwähnen, nur unser AfD-Mitglied wurde wegen des Bildes angeklagt und verurteilt.  Ich erwähne es trotzdem. Kafka hätte seine reine Freude an dem Prozess gehabt. Stalin auch. Die Karikatur löst damit eine Prozesskaskade von zwei oder drei Instanzen aus, um den Schurken dingfest zu machen, der ein halbes Hakenkreuz in einer mehr oder minder lustigen Karikatur „der Öffentlichkeit zugänglich“ gemacht hat.

Was aber hat nun dieser Prozess gekostet und worum ging es hier wirklich? Um eine Karikatur? Oder den, der die Karikatur ins Netz gestelltt hat? Um das Vorzeigen eines verbotenen Symbols? Oder tatsächlich um EU-Kritik „von der falschen Seite“, für den der § 86a I StGB nur das Vehikel war, auf dem zur Maßregelung gefahren wurde?

Hätte die Dame auf der Karikatur im blauen Kleid statt des Europaringes ein AfD-Logo getragen und Burnermann hätte das Ding ´rauf und ´runter geschaltet: Wäre es dann auch zu einer Anzeige bei der „ZMI“ gekommen? Oder hätte es Applaus von allen Seiten gegeben, wie mega-witzig das ist?

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein abgelegt und mit , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert