Gute Mehrheiten, schlechte Mehrheiten: Abenteuerliche Definitionen von Demokratie.
Ein Gastbeitrag von Claudio Casula
Mit den Mehrheiten ist das in der Demokratie so eine Sache. Die Zeiten ändern sich, Mehrheiten können mitunter wechseln, und wenn es schlecht läuft für die Regierenden, werden sie abgewählt. Das gehört sogar zur Demokratie: Das politische System muss die Chance zum Machtwechsel bieten, damit die Minderheit auch selbst einmal Mehrheit werden kann. Derzeit ist nicht nur der stellvertretende bayerische Ministerpräsident und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger der Meinung, wir müssten uns „unsere Demokratie zurückholen“, denn immer offensichtlicher wird, die Regierung macht Politik gegen die Mehrheit der Wähler.
Eine Mehrheit der Menschen im Land ist gegen die unbegrenzte Einwanderung zu Lasten nicht nur der Sozialsysteme. Eine Mehrheit ist gegen den Atomausstieg, der in Zeiten der Energieknappheit der helle Wahnsinn ist und obendrein dem behaupteten Klimaschutz Hohn spricht; eine Mehrheit ist gegen das eben gerichtlich gestoppte Heizungsgesetz von Robert Habeck, das Hausbesitzer, Vermieter und Mieter ärmer machen wird, und, ja, wenig überraschend ist eine Mehrheit gegen die Ampel-Regierung. Dennoch zieht die Koalition ihr Programm gegen die Bevölkerung rücksichtslos durch. Und da fragt noch jemand, wie es zu dem aktuellen Umfragehoch der AfD kommt, Tendenz steigend? In den ostdeutschen Bundesländern ist sie bereits jetzt stärkste Partei, und so flattert der Ampel und allen angeschlossenen NGOs, Vereinen und Instituten das Hemd.
Im Interview mit dem Kurier (leider hinter der Bezahlschranke), sagt Professor Dr. Stefan Ouma, Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsgeografie und Mitglied des Exzellenzclusters „Africa Multiple“ an der Universität Bayreuth, aufgeschreckt über die Umfragewerte der AfD und die Wahl eines Landrates („es sind dunkle Stunden“): „Und man muss mit der Vorstellung klar aufräumen, die Demokratie sei eine Regentschaft der Mehrheit.“
Wenn die eigenen Leute keine Mehrheit mehr haben, soll die Mehrheit nicht mehr entscheiden dürfen? Das sagt viel aus über das Demokratieverständnis des „Forschenden“, der das so begründet: „Eine gut funktionierende Demokratie zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie Minderheiten schützt und die Unversehrtheit des Einzelnen garantiert.“
Was allerdings kein Widerspruch ist, denn die Rechte der Bürger sind im Grundgesetz verankert, nur wer uns regiert, das wird alle vier Jahre neu entschieden – vom Souverän, dem Volk (Demokratie bedeutet wörtlich: Herrschaft des Volkes). Die Bundesrepublik ist eine repräsentative Demokratie, in der das Volk durch gewählte Volksvertreter „herrscht“. Dr. Stefan Ouma mag es vergessen haben oder für veraltet halten, aber es ist das Mehrheitsprinzip, nach dem oftmals Entscheidungen getroffen werden: Bei Abstimmungen und Wahlen setzt sich der Wille der Mehrheit gegenüber dem Willen der Minderheit durch. Und die Entscheidung ist dann für alle gültig, ob Einstimmigkeit dabei herauskommt, eine qualifizierte, eine absolute oder eine relative Mehrheit. Die entscheidet – und keine „Bürgerräte“, irgendwelche Lobbygruppen oder Regierungen, die nicht einmal mehr eine Mehrheit haben, wenn sich fünf Parteien zusammentun.
Kürzlich hat die Grüne Katrin Göring-Eckardt bei Twitter anhand von Beispielen aus dem Alltag abenteuerliche Definitionen von Demokratie zum Besten gegeben. Eine lautete so: „Demokratie ist, wenn sich eine Bürgerenergiegenossenschaft und ein Industrieunternehmen zusammentun und in der Nähe von Erfurt eine Solaranlage bauen.“ Für Frau Göring-Eckardt ist alles „Demokratie“, was sie für gut und richtig hält. Ansonsten meint man in diesen Kreisen, einmal an die Macht gelangt, dürfe man ruhig Politik gegen die Mehrheit machen. Notfalls muss man eben den politischen Gegner verbieten, Wähler sanktionieren oder eben der Mehrheit die Entscheidungsgewalt absprechen, wir Dr. Ouma.
Alle anderen wissen: In der Demokratie ist das Volk der Souverän (die oberste Staatsgewalt) und die politischen Entscheidungen werden durch den Mehrheitswillen der Bevölkerung gefällt. Zuwiderhandlung kann zur Abwahl führen. Und die Erfahrung werden auch die Grünen früher oder später machen. Demokratie lebt.