Grenzkontrollen

Neue EU-Pläne: Biometrische Grenzkontrollen statt Reisepässe Experten laufen Sturm, Brüssel winkt ab.

Von Kai Rebmann

Reisepässe in der bisherigen Form sollen in der EU schon bald der Vergangenheit angehören. Brüssel erarbeitet derzeit die Eckpunkte der sogenannten „Digital Travel Credentials“ (DTC). Seit dem 5. April und noch bis einschließlich 28. Juni 2023 können Bürger ihre Meinung zu den verschiedenen Versionen des Entwurfs kundtun. Damit will sich die EU-Kommission freilich nur einen demokratischen Anstrich verpassen und ihrem Vorhaben den Anschein einer entsprechenden Legitimation verleihen. Denn tatsächlich pfeift Brüssel auf Stimmen, die vor den Folgen der DTC warnen oder sich sogar offen dagegen aussprechen, wie wir noch sehen werden.

Dass man sich innerhalb der EU bzw. des Schengen-Raums auch ohne Reisepass völlig frei bewegen kann, ist indes nichts Neues. Millionen Migranten aus aller Herren Länder, vorzugsweise aus Afrika und dem Nahen Osten, machen von dieser Möglichkeit seit mindestens acht Jahren regen Gebrauch. Für die eigenen Bürger gilt das selbstverständlich nicht und so sollen Reisepässe und Personalausweise auch nicht ersatzlos gestrichen werden. An ihre Stelle sollen künftig „biometrische Grenzkontrollen“ treten. Der orwellsche Traum vom gläsernen Bürger rückt für die EU-Kommission damit in greifbare Nähe.

Einmal mehr scheint sich mit den Plänen zu den DTC eine Verschwörungstheorie zu bewahrheiten. Unter dem Vorwand der „Pandemie“ behauptet Brüssel in einem Schreiben allen Ernstes, die Bürger würden „den Einsatz kontaktloser Technologien als grundlegende Voraussetzung für ein sicheres und reibungsloses Reisen erwarten“. Gleich zu Beginn soll also der Eindruck erweckt werden, die EU-Kommission würde mit der Einführung biometrischer Grenzkontrollen einer Erwartungshaltung ihrer Bürger nachkommen.

Die Attraktivität der EU müsse gesteigert werden, so die Kommission, was durch eine Erhöhung der Sicherheit des Schengen-Raums sowie eine Verstärkung der Sicherheitsbestimmungen erreicht werden soll. Dabei soll den für die jeweiligen Grenzkontrollen zuständigen Behörden die Arbeit insbesondere durch die Nutzung „biometrischer Lösungen“ erleichtert werden. Physische Dokumente, wie zum Beispiel Reisepässe oder Personalausweise, würden „effiziente Grenzkontrollen“ hingegen erschweren. Zudem könne es bei der Ausstellung solcher Dokumente an abgelegenen Orten zu Problemen kommen – wovon man aber auch in weniger abgelegenen Orten wie Berlin ein Lied zu singen weiß.

Und dann lässt die EU die Katze aus dem Sack. Bei den DTC gehe es darum, „zuverlässiger die Identität von Reisenden festzustellen und gleichzeitig das mit den einzelnen Reisenden verbundene Risiko zu verringern“. Ersteres wird – davon darf man wohl ausgehen – aber nur für die eigenen Bürger gelten und Letzteres wird konsequenterweise mit der Einführung eines digitalen Impfpasses einhergehen.

Brüssel schlägt kritische Stellungnahmen in den Wind. Davon ist unter anderem die National Health Federation in Schweden überzeugt. Das Fachportal „heise online“ zitiert die Behörde, wonach es allein die Regierungen in der EU seien, „die das Bedürfnis haben, den Gesundheitszustand der Menschen“ und deren Impfungen zu kontrollieren. Die Skandinavier sehen darin einen „ungesunden Ansatz“ und begründen dies unter anderem mit der Zerstörung der Idee, jeder mit einem Pass dürfe reisen. Das Mitführen von digitalen Reisedokumenten auf dem Mobiltelefon mache den Inhaber dagegen „verfolgbar“ und stelle daher eine „große Bedrohung für die Privatsphäre“ dar.

Im Rahmen einer Sondierung der Folgenabschätzung könnten Stellen wie die National Health Federation bereits seit dem Spätjahr 2022 ihre Meinung zu den EU-Plänen abgeben. Von den bisher rund 360 eingegangenen Stellungnahmen waren fast alle negativ gewesen. Kritik entzündet sich vor allem an der Untergrabung des Rechts auf informelle Selbstbestimmung sowie der Reduzierung der Bürger auf biometrische Merkmale wie Fingerabdrücke, Gesicht und Iris.

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