Ich schlage mich schon seit mehreren Jahren mit merkwürdigen Fragen herum.
Eine Fabel berichtet von einem chinesischen Bauern, dessen ganzer Besitz und Reichtum ein Pferd war.
Eines Tags lief dem Bauern sein Pferd weg, war unauffindbar verschwunden. Da kamen die anderen Bauern des Dorfs und klagten: Welch ein Unglück, welch ein Unglück! Der Bauer aber sagte nur: Weiß ich, ob es Glück oder Unglück ist?
Eine Woche später kam sein Pferd plötzlich zurück – und hatte fünf Wildpferde im Schlepp. Da jubelten die anderen Bauern: Welch ein Glück, welch ein Glück! Der Bauer aber sagte nur: Weiß ich, ob es ein Glück oder Unglück ist?
Der einzige Sohn des Bauern war 15 Jahre alt, ein echter Draufgänger. Er wollte unbedingt das wildeste der Wildpferde einreiten, wurde abgeworfen und brach sich ein Bein. Da kamen wieder die anderen Bauern des Dorfs und klagten: Welch ein Unglück, welch ein Unglück! Der Bauer aber sagte nur: Weiß ich, ob es ein Glück oder Unglück ist?
Drei Tage später zogen marodierende Soldaten durch das Dorf und zwangen alle jungen Männer, als Söldner mitzukommen. Nur einen nicht.
Collage: Marianne Mairhofer
Soweit die Fabel. Aber was ich mich frage: Wie ging es weiter? Was passierte dem Bauern Glücklich-Unglückliches noch? War er überhaupt einmal richtig glücklich? Oder unglücklich? Oder beides? Oder beides nicht? War Glück für ihn nur ein Wort, das die anderen gebrauchten, ihm aber nichts bedeutete? Geht ein Leben ohne glückliche und (genau so viele) unglückliche Gefühle?
Und das Pferd, das ausriss – war es dabei glücklich? Oder das Wildpferd, als es den Sohn abwarf? Oder unglücklich? Können Tiere glücklich sein? Ja? Dichten wir da etwas in sie hinein? Wir Glücksritter … die das Glück reiten … bis es uns abwirft oder uns fest im Sattel hält?
Na denn. Weiß ich, ob solche Gedanken ein Glück oder … Nee, Schluss, zum Glück. Sonst gibt es ja noch ein Gedanken-Un … Glück.