© Rolf Hannes
Wenn ich mir überlege, wen ich als Politiker für ehrlich, also integer halte, fallen mir nicht viele Namen ein: Wolfgang Thierse, Winfried Kretschmann, Hans-Christian Ströbele. Es ist kaum ein Dutzend, dem ich ganz vertraue. Etwas anderes ist es, ob ich einigen zugetan bin, weil mir ihre Redegewandtheit gefällt, sie mich zumindest nicht langweilen. Dazu gehört Sahra Wagenknecht, und vorneweg natürlich Gregor Gysi. Ich gestehe, ein Gregor Gysi mit seinen Fehlern und Macken ist mir lieber, als eine Handvoll ehrlicher Mitläufer unserer Parteien, deren durchschnittliches Geschwafle ich nicht ertrage.
Was mir aufgefallen ist seit ich die Politbühne betrachte: Ganz oben in der politischen Hierarchie sind die Männer und Frauen, die meine Sympathien haben, nie. Sie sind wahrscheinlich unbrauchbar. Zu unprofessionell würden die Professionellen, die Brauchbaren sagen.
Nun beobachte ich aber seit einer Weile jemanden, der ganz oben ist und den ich trotzdem für einen sehr integeren Politiker halte, Jens Weidmann nämlich, Präsident der Bundesbank. Es fällt nicht schwer, in ihm den Gegenentwurf zu Mario Draghi zu sehen, dem Chef der EZB. Dieser ausgebuffte Italiener hat seinen Machiavelli intus. Und die noch ausgebuffteren Südländer drumherum bilden den Chor und singen das fröhliche Lied des Schuldenmachens.
Etwas abseits, obwohl auch zum Chor gehörend, steht Jens Weidmann. Er ist der Störenfried, er hat nicht mehr allzuviele Freunde und Mitstreiter. Weidmann möchte das unaufhörliche Schuldenmachen nicht mittragen. Das kommt nicht gut an bei seinen Kollegen, sie möchten ihn loswerden. Bislang genügt es, ihn madig zu machen in Brüssel, in Europa.
Eine düstere Vorahnung beschleicht mich. Unsere Kanzlerin, weil sie von den Schuldenmachern bedrängt wird, könnte Weidmann fallen lassen. Er ist einfach zu ehrlich, zu sachverständig, zu geradlinig, nicht korrumpierbar, kurzum, er mauschelt nicht mit.