Zeichnung mit Collage: Marianne Mairhofer
In den letzten Tagen vermehren sich Stimmen rund um mich, die sagen: Ehrlich, irgendwie genieße ich diese Zeit gerade auch. Die Stimmen sind etwas leise, verschämt und unsicher.
Aber jede Zeit kann und darf auch genossen werden. Im Hier und Jetzt leben. Und sich freuen. Trotzdem oder gerade deswegen nehme ich unsere jetzige Situation ernst und habe Mitgefühl für die Kranken und/oder Angehörigen von Verstorbenen. Egal, ob in Coronazeit oder sonstiger Zeit. (Tja, diese Unterscheidung wird uns wohl noch einige Zeit begleiten und irgendwann wird es heißen “vor Corona” und “nach Corona”).
Und es bedeutet auch nicht, dass ich alles und immer toll finde, aber ich darf auch Schönes, Erfreuliches, Wunderbares sehen und vor allem darüber sprechen. Genauso wie über das Schwere, Mühsame, Anstrengende, Traurige,
Im Zusammenhang mit diesem Satz ist mir aber noch etwas aufgefallen. Nämlich, dass öfter ein Zusatz kommt. Es ist jetzt alles so ruhig, wir müssen keine Verwandtenbesuche machen, es gibt nicht ständig Verabredungen oder Ähnliches. Es ist eine Erleichterung bei dieser Aussage spürbar. Ich finde es gut, dass dies spürbar wird nun. Auch bei mir persönlich. Ich spüre z.B. sehr intensiv, wie viel ich verwalte in meinem Leben und wo ich “Verantwortung” trage (im Sinne von Räumlichkeiten, finanziell und organisatorisch). Und ich kann es nutzen, um mir klar darüber zu werden, was ich davon in Zukunft noch tragen möchte und was nicht.
Es ist hilfreich, wenn ein solches Gefühl auftaucht oder so eine Aussage klar wird. Wo sage ich oft nicht, was ich denke? Wo kommt mir ein Nein unmöglich vor? Wo dachte ich, dass ich keinesfalls darauf verzichten kann oder will? Davor rettet uns Corona jetzt zwar vorübergehend. Aber es wäre fatal, wenn wir einen Virus brauchen, um das Leben mehr leben zu können, das wir uns wünschen, als ohne Virus. Daher ist es eine gute Zeit, hinzuspüren, wo bin ich froh trotz der Beschränkungen? Wo bin ich erleichtert? Wo spürt es sich für mich so gut an, wie schon lange nicht? Und es aufzuschreiben und/oder auszusprechen. Es darf nämlich so sein, das ist das erste Wichtige. Wir müssen uns dafür nicht schämen und verstecken. Weder, dass wir uns gut fühlen, noch dass wir froh über diesen Teil der jetzigen Situation sind (der uns eine Erleichterung bringt, sei es im Privaten oder in der Arbeit).
Dann können wir den nächsten Schritt machen. Mit der Überlegung anfangen, was wir verändern können, damit auch “nach Corona” diese Leichtigkeit in unserem Leben bleiben darf.
Übrigens auch der Gedanke Hoffentlich beginnt nicht so schnell wieder alles normal weiterzulaufen ist ein Hinweis darauf, dass wir wohl gerade spüren, dass etwas Gutes für uns dabei ist in dieser Zeit. Etwas, das wir genießen, trotz allem.
Auf dieser Suche können wir uns einmal ganz grundsätzlich fragen, wo geht es darum, öfter Ja zu mir zu sagen und damit eben Nein zu jemand/etwas anderem? Die Erleichterung tritt nämlich ein, wenn wir uns selbst ernst nehmen mit unseren Gefühlen und Bedürfnissen.