Es geht um die Große Transformation.
Dieses neue Zeitalter in der Geschichte der Menschheit hat laut Fischer bereits einen Namen: das „Anthropozän“. „Das heißt, die Macht der menschlichen industriellen Zivilisation rund um den Globus ist so gewaltig, dass deren beabsichtigte und nicht beabsichtigte Folgen den Fortgang der Erdgeschichte bestimmen werden.“
Dann holt Fischer die längst widerlegte Legende des Club of Rome von der Endlichkeit „scheinbar unerschöpflichen natürlichen Ressourcen“, die „dahinschmelzen“ würden. Außerdem würde menschliches Handeln „die globale Atmosphäre in atemberaubender Geschwindigkeit“ aufheizen.
Wegen der „seit etwa 1950 dramatisch gewachsenen Anzahl der Menschen“ wäre die „Alternative, die sich vor der Menschheit zu Beginn des 21. Jahrhunderts auftut…Verantwortung zu übernehmen, „das heißt, aus schlichtem Selbsterhaltungsinteresse heraus den Mut und die Weitsicht zur großen Transformation aufzubringen“.
Und wenn die Menschheit dennoch nicht zur „großen Transformation“ bereit sein sollte, droht Fischer, dass sie dann „sehenden Auges auf die Rückkehr der apokalyptischen Reiter, die man mit der industriell-wissenschaftlichen Moderne für immer überwunden glaubte“, erwarten müsste. Mit Covid-19 sei der Erste von ihnen bereits wieder aufgetaucht. Für alle nicht Bibelfesten: In der Offenbarung des Johannes treten vier apokalyptische Reiter auf: Der weiße, der rote, der schwarze und der fahle. Es heißt da in Offenbarung 6, 2 zum ersten Reiter: “Und ich sah und siehe, ein weißes Pferd. Und der darauf saß, hatte einen Bogen, und ihm wurde eine Krone gegeben, und er zog aus sieghaft und um zu siegen.”
Ein weißer Reiter also, der dennoch in die Apokalypse führt. Zudem wird ihm eine “Krone” gegeben. Und Corona heißt gerade – Krone.
Man darf sich fragen, warum gerade der ehemalige Bundesaußenminister und Vize-Kanzler, der nicht für seine Gläubigkeit bekannt ist, in einem Artikel im Sommer 2020 ausgerechnet auf diesen ersten Reiter hinweist.
Weiter im Fischer-Text: „Bei Covid-19 haben wir gelernt, auf den wissenschaftlichen Rat zu hören. Warum tun wir dies nicht auch bei noch sehr viel gefährlicheren Entwicklungen, die heute schon unsere Wirklichkeit bestimmen, wie der Erderwärmung und der Klimakrise?” Also, erstens haben die Regierungen nur sehr eingeschränkt auf wissenschaftlichen Rat gehört. Alle, die nicht die gewünschten Panik-Szenarien unterstützt haben, die sich am Ende fast alle als unzutreffend erwiesen, wurden nicht gehört. So wie in der Klimafrage Kritiker der Erderwärmungsdoktrin nicht gehört werden. Wieso soll so ein äußerst eingeschränktes Verständnis vom wissenschaftlichen Rat zukunftsweisend sein?
Laut Fischer sollen die entwickeltsten unter den Industriegesellschaften bei der Transformation zu einer Verantwortungsgesellschaft an erster Stelle gefragt sein; denn sie verfügen über das Know-how und das notwendige Kapital, sie setzen die Entwicklungstrends für die Zukunft.
Wirklich? Die westliche Gesellschaft, die gerade dabei ist, durch die Fischers dekonstruiert zu werden, soll die Führung übernehmen? Wohin? In die totale Dekonstruktion?
Zum Schluss kommt noch ein bisschen Allmachtsphantasie:
„Für das alte Europa bietet sich eine unverhoffte Chance, wenn es nicht auf die Konkurrenz der Supermächte setzt, sondern den Mut hat, eine Führungsrolle bei dieser großen Transformation anzustreben.“
Europa hat seine Bürger nicht gefragt, ob sie eine nicht näher definierte „große Transformation“ überhaupt wollen. An dieser Transformation wird hinter dem Rücken der Europäer gebastelt und sie soll offenbar durchgeführt werden, egal, was dabei am Ende rauskommt. Die Geschichte lehrt aber, dass die großen Menschheitsbeglückungs-Experimente zu Elend und Tod geführt haben, auch ganz ohne apokalyptische Reiter. Wenn die Corona-Politik dazu dienen soll, die „große Transformation“ herbeizuführen, ist sie gefährlicher, als jedes Virus.
Vera Lengsfeld bei einer Lesung
Bürgerrechtlerin in der DDR, Mitglied des Deutschen Bundestags 1990 bis 2005,
freie Journalistin, Mitglied der Werteunion