Insider packt aus: Interviewen eigener Mitarbeiter bei GEZ-Sendern offenbar üblich. Brisantes Eingeständnis
Von Boris Reitschuster
Deutschlands wichtigste Nachrichtensendung betrügt ihre Zuschauer wie Hütchenspieler: In einem Bericht über die politischen Preis-Erhöhungen bei der Rewe-Tochter Penny präsentierte die Tagesschau eine ARD-Mitarbeiterin als Zufalls-Interviewte. Eine dreiste Manipulation. Die so breite Wellen schlug, dass die ARD diesmal sogar kleinlaut einen Rückzieher machen musste. Sie strich die entsprechende Passage nachträglich aus der Mediathek. Dass sie die Zuschauer aufklärte, die keinen Zugriff auf diese hatten, etwa durch eine Entschuldigung in der nächsten Tagesschau, ist nicht bekannt.
Eine Entschuldigung verkniff sich das „Erste“ generell – und brachte nur eine kurze Erklärung, es sei ein Fehler passiert. Darin hieß es wörtlich: „Dies entspricht nicht unseren journalistischen Standards.“ Das ist zu bezweifeln, da sich schon oft angebliche „Zufalls-Interviewte“ als Politiker herausstellten – dreimal dürfen Sie raten, von welcher Partei! Kleiner Tip: Nicht von AfD, Union oder FDP.
Doch nun kommt es noch dicker für die GEZ-Sender. Daniel Gröber, Ressortleiter Online beim „Cicero“, schreibt auf seiner Twitter-Seite: „Weil sich gerade alle über die WDR-Mitarbeiterin bei Penny aufregen: Vor vielen Jahren war ich Praktikant beim SWR. Wurde zu einem Dreh in eine Bank mitgenommen, sollte mich über hohe Gebühren am Geldautomaten aufregen. Hab ich gemacht. Kam in der Landesschau. Familie war stolz.“
Es gibt keinen Grund, dem Kollegen von einem soliden Journal seine Aussage nicht zu glauben.
Und das bedeutet, wir haben es hier mit einem handfesten Skandal zu tun.
Und zwar einem doppelten: Denn zum einen ist damit klar, hier werden völlig wissentlich und absichtlich die Zuschauer in die Irre geführt. In einer Art und Weise, die Betrug ist und geradezu kriminelle Energie erfordert. Als ob das nicht schlimm genug wäre – sich dann auch noch hinzustellen und zu sagen, „dies entspricht nicht unseren journalistischen Standards“, das ist an Dreistigkeit nur noch schwer zu überbieten (wobei ich mir diese Formulierung sparen sollte – denn heute wird ständig bereits bestehende Dreistigkeit durch noch heftigere überboten).
Der Kollege Frank Lübberding, der unter anderem für die „Frankfurter Allgemeine“ schreibt, kommentierte die Beichte von Gröber auf „Twitter“ wie folgt: „Ich kannte Frauen-Zeitschriften, wo die Redakteure die Leserbriefe selbst geschrieben haben.“
Der Blogger mit dem Pseudonym „Dr. David Lütke“ attackierte den „Cicero“-Kollegen: „Sie haben sich somit bereits als Praktikant gegen den Journalismus und für die Manipulation des ahnungslosen Publikums entschieden. Das ist so als würde ein Banker gestehen, er habe schon als Lehrling bei der Bank Geld verloren und es dann verschleiert. Beruf verfehlt.“
Der Filmemacher Jörg Rehmann schreibt: „Vor Jahren assistierte ich bei einer ZDF 37 Folge zu Karrierefrauen. Da sollte eine Protagonistin (Lufthansa Pilotin) auf Weisung der Redaktion zu der Aussage gedrängt werden, ihr würde bei der Verantwortung für so viele Menschen schon mal schwummrig (Jobkiller!).“
Ein Nutzer mit dem Namen Arne Hoffmann schreibt: „Ich sollte für den WDR mal den verblödeten Männerrechtler geben. Nachdem ich Studien vorlegte, die meine Behauptungen stützten, wurde das Interview nicht gesendet.“
Wer den Alltag der Redaktionen kennt, weiß: Sehr oft werden Recherchen nicht ergebnisoffen in Auftrag gegeben. Sondern die Redaktion erwartet sich einen bestimmten „Dreh“. Den muss der Journalist dann liefern, wenn ihm seine Karriere nicht gleichgültig ist. Wer regelmäßig nicht oder falsch liefert, ist unten durch. Bei freien Mitarbeitern, die von Aufträgen abhängig sind, ist die Abhängigkeit besonders groß.
Journalisten werden dann losgeschickt, um die Vorurteile bzw. politischen Einstellungen ihrer Chefs zu bestätigen. Die fühlen sich dann auch noch großartig – „Seht Ihr! Habe ich es doch gewusst“, können sie sich dann brüsten, wenn Material mit dem gewünschten Dreh geliefert wird.
Angesichts des Erfindens bzw. Schummelns mit Interviewpartnern musste ich an ein eigenes Erlebnis zurückdenken. Ich zitiere oft Freunde, weil ich viele habe. Unter anderem einen meiner besten, Thomas, gelernter Maurer und Handwerker in Berlin. Obwohl wir sehr unterschiedlich sind, passt zwischen uns kein Blatt Papier.
Ausgerechnet der rot-grüne Medienjournalist Stefan Niggemeier warf mir vor Jahren öffentlich vor, es sei unglaubwürdig, wenn ich so oft Freunde zitiere, und ich würde die wohl erfinden.
Thomas hat sich damals sehr darüber aufgeregt, dass er „erfunden“ sein soll. Inzwischen kann er darüber lachen.
Inzwischen wird mir klar: Das „Erfinden“ bzw. Betrügen mit Zitaten, Interviews etc. ist inzwischen offenbar so branchenüblich, dass Leute wie Niggemeier es gar nicht wahrhaben wollen, wenn jemand das nicht so macht.
Sie können es nicht glauben, dass jemand viele Freunde hat, und noch dazu viele außerhalb der eigenen, akademischen Blase. Das zeigt, sie verdienen eigentlich Mitleid – denn nur, wer selbst wenig oder keine Freunde hat, kann nicht glauben, dass andere viele haben.
PS: Unglaublich ist, wie der WDR jetzt den Betrug mit der Mitarbeiterin in der Tagesschau erklärt: Chefredakteur Stefan Brandenburg giftete auf Twitter gegen Kritiker: Es könne doch niemand ernsthaft glauben, der WDR habe „eine Mitarbeiterin als Schauspielerin“ einsetzen müssen, weil sonst niemand die Preisaktion von Penny gelobt habe, wie „Focus Online“ schreibt: „Die Kollegin ist zufällig nach ihrer Frühschicht in der Umfrage angesprochen worden. Sie hat dem Reporter, der sie nicht kannte, sinngemäß gesagt: ‘Ich komme gerade vom WDR-Radio‘. Der hat das in der Situation im Supermarktmit mit vielen Nebengeräuschen falsch verstanden als ‘ich habe es im WDR Radio mitgekriegt‘“. Brandenburg beteuert: Hätte „der Reporter verstanden, dass er eine Kollegin vor sich hat, hätte er ihre kurze und spontane Reaktion niemals in den Beitrag aufgenommen. Ich bitte darum, das zu respektieren. Fehler passieren, zumal unter Zeitdruck in der aktuellen Berichterstattung.“ Für wie dumm hält der WDR seine Gebührenzahler? Sollen die auch noch glauben, die Kollegin selbst hätte nicht verstanden, dass sie für den eigenen Sender interviewt wird? Dachte sie, Journalisten vom Mond vor sich zu haben?