Eine chemische Vorbedingung für innere Stimmigkeit ist ein Gleichklang von Verstand und Gefühl (Wert und Lust). Trauen wir unseren Sinnen, dann gibt es einen realen Wert. Es gäbe objektive Wahrheit. Im Deutschen gibt es das schöne Verb wahrnehmen. Aber wir wissen um die Schwierigkeit des Zusammenhangs von Symbol und Objekt. Seit dem 17. Jahrhundert haben wir eine bestimmte Denkweise ausgebildet: den psychophysischen Reduktionismus. Wir sind nun, dreihundert Jahre später, skeptisch geworden gegen die Erwartung, dass die physikalischen Wissenschaften (Chemie, Biologie, Physik) eine Theorie von allem liefern können. Denn diese müsste imgrunde eine historische und eine zeitlose Dimension haben. Eine Theorie von allem müsste also auch unser So-Sein als Wertesubjekt erklären können und zwar letztlich physikalisch. Bislang aber sind unsere Symbole nur Ersatz für das reale Objekt.
Friedrich Eduard Bilz (1842 – 1922): Erkenne Dich selbst
Die Substanz ist das, woraus etwas besteht. Hier ist es unser Begriff für das Selbständig Seiende. Betrachten wir zwei Substanzen und ihre Wirkung auf das Gehirn.
Alkohol: er spricht das Gefühl an und schlichtet die Erregung des Verstands. Daher ist Alkohol ein bevorzugtes Massen-Antidepressivum. Es unterdrückt unsere Skrupel und enthemmt die Gefühle. Alkoholische Euphorie ist emotional. Cannabis dagegen spricht den Verstand an und das Gefühl. Cannabinoide Euphorie ist intellektuell. Das heißt: Der Verstand ist eine Art Tonikum für das Gefühl, und das Gefühl ist ein Sedativum für den Verstand. Für den denkenden Menschen ist vieles eine Komödie, für den fühlenden Menschen ist vieles eine Tragödie. Viele menschlichen Tragödien spielen sich unter Einfluss von Alkohol ab. Aber Lust und Unlust zu empfinden, ist die Basis für menschliches Leben. Für Depressive empfiehlt sich daraus die Psychoanalyse. Alkohol wirkt auch chemisch (analytisch?) auf ältere Hirnregionen, insbesondere des Stammhirns (limbisches System). Alkohol ist schließlich ein Lösungsmittel für blockierte Emotionen.
Franz Joseph Gall (1758 – 1828): Die emanzipierte Frau des 18. Jahrhunderts
Der Wirkstoff von Cannabis sorgt dagegen für eine Reizüberflutung in höheren Hirnregionen. Es ist ein Lösungsmittel für den Verstand. Es kann aber auch unter seinem Einfluss leicht zu Psychosen kommen, also zu Denkstörungen. Man sollte eine innere Stabilität und Reife mitbringen, um es schadlos zu verkraften. Für alle Verstandeskrankheiten wie etwa die Schizophrenie empfiehlt sich daher jede Therapie, die beruhigt: Schon die Aussage, man habe ein Heilmittel, kann einem empfänglichen Menschen helfen. Letztlich beruht jegliche Psychotherapie auf diesem Trick. Je kränker der Verstand, desto simpler das Sedativum (die beruhigenden Worte). Bedenken wir jedoch: Der überreizte Verstand braucht Orientierung durch Wahrhaftigkeit. Der Verstand braucht Werte. Das Gefühl dagegen Lust. Wir schwanken in unserem Inneren zwischen Wert und Lust.
Fortsetzung folgt.