Wie die Berliner Stadtreinigung das Recycling ad absurdum führt. Realsatire als Alltag in der Hauptstadt
Von Boris Reitschuster
„Klimaschutz“ ist für viele die neue Religion in Deutschland. Wobei schon der Name irreführend ist. Denn als „Klima“ bezeichnet man das durchschnittliche Wetter. Und wie kann man einen Wetterdurchschnitt schützen? Aber Klimaschutz klingt eben besser als etwa „Emissionsbekämpfung“. Für viele gehört auch „Recycling“ mit zum „Klimaschutz“. Obwohl es eigentlich eine Frage des guten alten Umweltschutzes ist, für den sich wohl jeder Mensch ausspricht, der halbwegs bei Verstand ist.
Ausgerechnet die Berliner Stadtreinigung liefert nun ein Beispiel, bei dem man sich fragen muss, ob diejenigen, die sich den Umweltschutz hauptberuflich auf die Fahnen geschrieben haben, in diesem Fall noch wirklich in dessen Sinne agieren. Oder als herzlose Bürokraten, die genau das Gegenteil ihres angeblichen Zieles erreichen. Der konkrete Fall wirkt so, als sei er Satire.
Der Berliner Lars Halter wollte eigentlich nur sein Altpapier und einen nicht mehr zu gebrauchenden Wasserhahn zum Recyclinghof der Berliner Stadtreinigung (BSR) im Nobel-Stadtteil Zehlendorf bringen, wie das Hauptstadt-Blatt „B.Z.“ berichtet: „Dort entdeckte er eine ausrangierte Badewanne, Objekt seiner Gärtnerträume. Und ein absurder Kampf begann – gegen Ressourcenverschwendung und Bürokratie. ‘Muss ich haben!‘, dachte sich der Vater. Er sah sich mit seinem Sohn Hugo (7) schon im Garten das Sanitärmöbel bemalen, bunte Blumen hineinpflanzen und ihm zu neuem Leben verhelfen.“
Tatsächlich sah das Objekt seiner Begierde für Recyclinghof-Verhältnisse geradezu neu aus – eine freistehende Wanne, die man in jedem Geschichts-Film als Badezimmer-Möbel stilecht hätte einsetzen können.
Es war also eine klassische Win-Win-Situation – umweltfreundliche Wiederverwertung, Entlastung für den Recyclinghof, und Freude für den Gartenbesitzer. Doch nicht mit der Berliner Stadtreinigung. „Geht nicht! Wird verschrottet!“, beschied ein BSR-Apparatschik dem verhinderten Badewannen-Besitzer Lars Halter.
Doch der gab nicht auf, wie die „B.Z.“ schreibt: „Mit Anhänger und Sohn Hugo fuhr er am nächsten Tag zum BSR-Hof im Hegauer Weg, bat freundlich um die Wanne. Seine Bemühungen blieben für die Reste-Tonne. Halter wendet sich per Mail an die Stadtreinigung: Die BSR schreibt auf ihrer Webseite: ‘Nachhaltigkeit ist uns ein Kernanliegen. Dazu gehört der Schutz von Umwelt, Ressourcen und Klima.‘ – Ich glaube nicht, dass man mit Ressourcen nachlässiger und verantwortungsloser umgehen kann als in meinem Fall mit der Badewanne.“ Sogar die neue Umweltsenatorin Manja Schreiner (CDU) bekam einen Brief in Sachen Badewanne von Halter.
Der erboste Berliner empörte sich: „Am meisten ärgert mich, dass gute Ideen an Bürokratie scheitern. Müllvermeidung wird als oberstes Credo angegeben, doch in einer konkreten Situation wird eine pragmatische Lösung ausgeschlagen.“
Auf „B.Z.“-Anfrage verwies ein BSR-Sprecher auf das Kreislaufwirtschaftsgesetz, „wonach öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger verpflichtet seien, die ihnen überlassenen Abfälle zu beseitigen oder zu verwerten. Eine Weiterverwertung sei jedoch nur für den ursprünglichen Zweck möglich. Im Falle einer Wanne also fürs Baden.“
Die BSR will nun allerdings „einen Regelprozess erarbeiten, damit entdeckte Einzelstücke zeitnah an BSR-Gebrauchtwarenhäuser weitergegeben werden könnten“, so das Blatt: „Die Wanne sei sogar für ihn gesucht worden. Leider wäre sie schon verschrottet gewesen.“
Die Geschichte ist in meinen Augen ein tragikomisches Beispiel für das, was wir auch in der Corona-Zeit bis zum Erbrechen erleben mussten: Ein völlig sinnfreier Umgang mit teilweise absurden Regeln, die ohne jedes Hinterfragen auf Teufel komm raus umgesetzt werden. Während der Staat und viele seiner Bürger umgekehrt in Fällen, wo das politisch nicht korrekt scheint, das Ignorieren von Regeln stillschweigend hinnehmen. Wie ich kürzlich hier in einer Geschichte beschrieb – die alte Frau, die im Park regelmäßig Strafe zahlen muss, und die aggressiven Zuwanderer in der U-Bahn, vor denen die Kontrolleure flüchten.
Man könnte das auch böse als Zustand der Schizophrenie beschreiben.
PS: Mich erinnert die Geschichte an einen alten sowjetischen Witz, der den Sozialismus aufs Korn nimmt. Die Schwester schiebt ein Krankenbett durch den Klinik-Korridor.
Die Patientin zaghaft. „Schwester, Schwester, vielleicht in den OP-Saal?“
Die Schwester barsch: „Nein“
Die Patientin noch zaghafter: „Schwester, Schwester, vielleicht zum Röntgen?“
Die Schwester noch barscher: „Nein“
Die Patientin noch zaghafter: „Schwester, Schwester, vielleicht in mein Krankenzimmer?“
Die Schwester noch barscher: „Jetzt habe ich die Faxen dicke! Seien Sie ruhig! Der Arzt hat gesagt, ins Krematorium, also geht es ins Krematorium!“