Mit all meiner Kraft stemme ich mich gegen die Welt, bevor sie auseinanderbricht. Das Bröckeln hatte ich nicht bemerkt, aber als die Wände näher kamen, streckte ich meine Hände aus und brachte sie zum Stehen. Doch wie lange kann ich sie halten? Bis ein anderer sich zu mir stellt? Das bedeutet, ich verhungere statt zerquetscht zu werden. Vernunft gesellt sich zum Unvermögen: Das Leben steht vor der Tür, doch ich kann sie nicht öffnen, ohne dass die Decke kracht.
Zeichnung: Rolf Hannes
Diese Gedanken trug die Verrückte im Kopf. Sie sah dabei vollkommen normal aus. Kaum einer, der sie reden hörte, ahnte, wie verrückt sie war.
Um den Schein zu wahren, vermied sie es, viel zu sagen. Doch in ihrem Kopf purzelten die Gedanken durcheinander, überschlugen sich und verbanden sich zu Sätzen, die sie schnell wieder zerriss, bevor Schlimmeres daraus wurde.
Die Verrückte dachte, wenn sie eine Art Schild erfinden könne, das sie vor sich selbst schützte, wäre ihr Leben einfacher. Wie eine Wand, hinter die sie springen könnte, wenn ihr zweites (irres?) Ich um die Ecke kommt. Ob es schwiege, wenn es keine Ohren mehr gibt? Oder gibt es sich mit Schweigen zufrieden, wenn es keinen Mund mehr gibt?
Die Verrückte legte das Blatt wieder hin, das sie nachdenklich vor ihr Gesicht gehalten hatte, denn anders als sie sich’s vorgestellt hatte, wusste sie nun: das irre Ich befand sich nicht neben ihr – es war in ihr drin.
Es war unwillig, jemals auszuziehen, ein Nesthocker. Und nun sagte es zu ihr: „Wir sind nun mal so, das sind wir.“ Die Verrückte lächelte und nickte.
Ob sie dieses Ich vermissen würde, zöge es jemals aus? Manchmal wünschte sie, sie wäre allein in ihrem Kopf.