Die unscheinbaren Dinge

Die unscheinbaren Dinge 1

© Rolf Hannes

Als ich neun war, im Frühjahr 1947, steckten meine Eltern mich in ein Klosterinternat. Da war ich versorgt und hatte genug zu essen, hieß es. Das war der eigentliche Grund, nicht so sehr war es die Absicht, mir eine humanistische Ausbildung angedeihen zu lassen.

Und da wir im Internat zu großer Selbständigkeit angehalten wurden, schenkte mir meine Großmutter mütterlicherseits die hier abgebildete Blechschachtel, mit lauter Sachen drin zum Knöpfeannähen und dergleichen.

Wir mußten für solch kleine Flickarbeiten uns einige Minuten am Morgen freistehlen, zwischen Waschen, Frühsport und Frühstück. Und die einzige Stelle für solche Verrichtungen war die Kante unsres Betts. 40 eiserne Bettgestelle standen in Reih und Glied im Schlafsaal der Sextaner. Und auf meiner Bettkante hab ich die ersten Knöpfe meines Lebens angenäht.

Bei dieser Übung bin ich geblieben, wenn auch später bequemer sitzend.

7 Jahrzehnte hat mich die kleine Blechschachtel begleitet, über alle Umzüge und Veränderungen hinweg, in meinen jeweiligen Waschbeuteln.

An all meinen Orten war sie dabei: Steinfeld, Köln, Freiburg, München, Todtmoos, Gengenbach, Basel, wiederum Todtmoos, wiederum Freiburg, Margarethenried, Freising, Furth, wiederum Freiburg, La Fontenelle, Reclesne, endgültig Freiburg.

Ganz bestimmt weiß ich es nicht, aber ich glaube mich zu erinnern, meine Großmutter sagte mir damals, sie habe diese Schachtel als kleines Mädchen von ihrer Mutter bekommen. Meine Großmutter wurde 1873 geboren, dann kann dieses kleine blecherne Kästchen jetzt 130 Jahre und älter sein. Es wird mir von Jahr zu Jahr kostbarer und vertrauter.

Die unscheinbaren Dinge 2

© Rolf Hannes

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